Konsum, Alltag und Globalisierung
25.06.07 um 08:25 von Ralph
Was Sie schon immer über eBay wissen wollten – dieser Dokumentarfilm erzählt es. Ein Essay über Illusionen und Realitäten.
Trader´s Dreams – ab Donnerstag im Kino: www.tradersdreams.com
. Trackbacken . Thema: Buch und Film
16.06.07 um 13:57 von Ralph
Das Smok-Blog über Gift und Plastik im Atlantik:
Wer glaubt, das ginge ihn nichts an liegt „natürlich“ falsch. Längst lassen sich in unseren Körpern Rückstände chemischer Verbindungen nachweisen, die vor 50 Jahren noch gar nicht im Umlauf waren. Die Vergiftung geht also schnell und kommt schleichend.
Die taz über die Folgen eines ungehemmten Antibiotika-Verbrauchs: Gute Zeiten für Bakterien. (Da bin ich hart im Nehmen, ich habe einmal eine sehr heftige Mandelentzüdung nur mit Tee auskuriert, als Student konnte ich mir das leisten):
Im Jahre 2004 wurden allein in Deutschland 40 Millionen Mal Antibiotika verschrieben, 1.600 Tonnen schluckten die Bundesbürger, bekämpften damit schwere Krankheiten und kleine Zipperlein – und leisteten oft auch einer zunehmenden Resistenz gegen das vermeintliche Allheilmittel Vorschub.
Da ich grad bei der taz bin, sie hat jetzt ein neues Layout und vieles mehr. Kritik am neuen Auftritt ist auch schon reichlich vorhanden (meine Probleme mit dem neuen Konzept spare ich mir hier). Aber was ich eigentlich wollte: Es gibt dort einen Bereich namens Verbrauchertipps. Einfach regelmäßig reinschauen, dann brauche ich hier nichts mehr aus der taz vorstellen. ;-)
Iris Bleyer mit Gedanken über die Globalisierung: Apropos Globalisierung.
. Trackbacken . Thema: xyz
15.06.07 um 00:59 von Ralph
Das Team von VEB FILM Leipzig ist kurz vor der Fertigstellung ihres 2. „freien“ Filmprojekts. Nach „Route 66“, einem Roadmovi, steht jetzt „Die Letzte Droge“ in den Startlöcher. Man darf wieder gespannt sein und sich auf einen interessanten Kinoabend zu Hause freuen. Ein gutes Beispiel dafür das es auch noch etwas anderes ausser dem Mainstream Kino aus Hollywood gibt.
1 Kommentar . Trackbacken . Thema: Buch und Film
14.06.07 um 14:36 von Ralph
Anscheinend gibt es hierzulande doch noch gewisse Grenzen im Umgang mit den radikalen Kritikern der Globalisierung, sonst würde der „G8-Tornadoeinsatz“ gegen friedliche politische Camper nicht diese hohe Empörungswelle bei Kommentatoren in den etablierten Medien ausgelöst haben. Joachim Wagner vom NDR wuchs gestern in den tagesthemen förmlich über sich hinaus und Claus Christian Malzahn von Spiegel online schreibt unter dem Titel Big Brother im Tiefflug recht sarkastisch – sehr gut im Zusammenhang mit dem Artikel Sturzflug in die Grauzone zu lesen:
Wie produziere ich eine neue Generation von linken Terroristen? Ich ordne wegen eines gefälschten Schülerausweises Hausdurchsuchungen an, sperre Weltverbesserer in Käfige und lasse Zeltbewohner von Kampfjets ablichten. Der Rest kommt schon von selbst.
Bildnachweis: Spiegel online
2 Kommentare . Trackbacken . Thema: G8 2007
14.06.07 um 13:11 von Ralph
Der Begriff Hedgefond ist mittlerweile in die Alltagssprache eingedrungen wie Heuschrecken in relativ zivilisierte Ökonomien. Selbst Politiker haben sie als Sündenböcke der Globalisierung entdeckt, nicht etwa, um sie in die dringend notwendige Schranken zu weisen, sondern um so zu tun, als würden sie es tun wollen. Ihr Vorteil dieser symbolischen Politik mit viel heißer Luft: Es geht dabei das wirkliche Treiben der Hedgefonds und ihrer Rolle bei der „radikalen Globalisierung“ unter, und beim Medienkonsumenten bleibt das vage Gefühl, da laufe etwas schlechtes. Umso wichtiger sind wertvolle Texte wie der von Klaas Anders, der in der Freitag 23 anchaulich beschreibt, wie Hegdefonds die Finanzmärkte beherrschen und welche Folgen das für „gesunde Unternehmen“ hat, die im „Markt der Unternehmen“ zum Ziel des möglichst kurzfristigen und möglichst höchsten Profits „abgewickelt“ werden. Ich zitiere eine längere Passage aus Heuschrecken auf Treibjagd, da darin anhand eines konkreten Falles aufgezeigt wird, wie der Hedgefond The Children’s Investement Funds (TCI) (der Zynismus in der Banche muss grenzenlos sein) „über Nacht“ einen „Gewinn von 400 Prozent“ machte. Zuvor ein paar Fakten:
Seit 1995 ist die Zahl der Hedgefonds weltweit von 2.800 auf 9.500 gestiegen. Mitte der neunziger Jahre verwalteten sie ein Anlagevermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar – heute über 1,4 Billionen. Die Mehrzahl der Hedgefonds hat ihren Firmensitz in Steueroasen wie den Bermudas, Bahamas, den Virgin- oder den Britischen Kanalinseln, wo sich auch die Masse ihres Anlagevermögens befindet. Da sie also kaum Steuern zahlen, erzielen sie traumhafte Gewinne für die Anleger – in den vergangenen fünf Jahren zwischen 11 und 21 Prozent. Kein Wunder, dass ihnen das Geld geradezu nachgeworfen wird. 2006 wurden weltweit fast 130 Milliarden Dollar in die Hedgefonds gepumpt – 2007 dürfte es erheblich mehr werden.
Auf den internationalen Aktienmärkten können die Fonds inzwischen den großen Hebel ansetzen – und der heißt Kredit, der ihnen von den Banken nur zu bereitwillig (und zwar auf einem historisch niedrigen Zinsniveau) eingeräumt wird. Die Fonds können so ein Vielfaches des Kapitals bewegen, das sie selbst besitzen. Bei Übernahmegeschäften wird dann schon einmal locker das 20- bis 25-fache des Eigenkapitals eingesetzt. Anschließend werden die Schulden nicht etwa selbst getragen, sondern dem aufgekauften Unternehmen überschrieben.
Anfang Juni stiegen die Aktienkurse an den europäischen Finanzmärkten auf den höchsten Stand seit sechs Jahren, allein dank einer Woge von Übernahmegerüchten. Übernahmeschlachten, deren Schwerpunkt inzwischen in Europa liegt, toben im Moment vor allem im Banken- und Energiesektor. Der derzeitige Fight um die Übernahme der ABN Amro, der zweitgrößten niederländischen Bank, durch Barclays, der zweitgrößten britischen Bank, ist geradezu ein Lehrstück für die Rolle, die Hedgefonds als Antreiber des Übernahmebooms spielen. Die Aktionäre der niederländischen Bank können sich freuen, denn seit die Schlacht tobt, steigen die Kurse ihrer Wertpapiere – um 30 Prozent in knapp zwei Monaten. Denn ein britischer Hedgefonds mit dem schönen Namen The Children´s Investment Funds (TCI), der nur zwei Prozent der ABN Amro Aktien besitzt, tat alles, um einem konkurrierenden Übernahmeangebot zum Erfolg zu verhelfen: Ein britisch-spanisch-belgisches Bankenkonsortium hat etliche Milliarden mehr geboten als die Barclays Bank. Ganz im Sinne der bevorzugten Strategie der Hedgefonds will dieses Konsortium aber keine Fusion, keine Fortführung des Unternehmens als britisch-niederländische Großbank – es will aufspalten, in Einzelteile zerlegen und die Einzelteile weiter verkaufen. Kurzfristig springt dabei ein deutlich höherer Gewinn heraus, so dass sich das Konsortium auch einen höheren Kaufpreis – kreditfinanziert natürlich – leisten kann. Der Hedgefonds TCI hat alles getan, um dieses konkurrierende Übernahmeangebot hervor zu locken und die Aktionäre der ABN Amro darauf einzustimmen. Obwohl die Schlacht noch nicht entschieden ist, hat TCI seinen Schnitt schon gemacht: Man kaufte für 1,1 Milliarden Euro Aktien der ABN Amro, zu mindestens zwei Dritteln mit Krediten finanziert, und musste vom eigenen Anlagevermögen höchstens 360 Millionen Euro investieren. Dank der kurzfristigen Kurssteigerungen sind daraus über Nacht 1,45 Milliarden Euro geworden, ein Gewinn von fast 400 Prozent. Der TCI und seine Anleger sind begeistert – derartige Aktionen sind ihr Lebenszweck.
Bildnachweis: Teilabbildung aus einer Fotomontage im Freitag
3 Kommentare . Trackbacken . Thema: Globalisierung
13.06.07 um 16:53 von Ralph
Die Erfolge der Globalisierung lassen sich an den „Flüchtlingsdramen“ vor den Grenzen Europas messen. Flüchtlinge aus Afrika, die die Dreistheit besitzen, nach Europa kommen zu wollen, werden nicht nur erfolgreich „geknebelt, abgeschoben und erstickt“, sie werden auch durch eine starke europäische Abschottungspolitik aller Illusionen beraubt. Aktuell heißt das Motto der Regierungschefs in Europa: Ertrinken lassen statt Auffanglager in Nordafrika. Das ist sauberer, erregt weniger Aufsehen und ist vor allem kostengünstiger. Das ist nun nicht unbedingt Ausdruck der Dankbarkeit dafür, dass die europäische Wirtschaft auch deshalb schneller wächst, weil sie die afrikanischen Märkte mit subventionierten Waren beglückt und so die Verdrängung lokaler Wirtschaftsstrukturen in Afrika beschleunigt, weil sie zudem an der Naturentsorgung und der „Erschliessung“ der Bodenschätze in Afrika teilnimmt und Natur und Naturwissen zu patentieren versucht. Die Dankbarkeit kommt dafür aber in Form von g8-forcierter Entwicklungshilfe für humane Diktatoren und korruptionsverachtende Bürokraten zum Ausdruck, großartig inszeniert auf symbolischen Gipfeln mit Show-Charakter. Dazu passend wird die Moral gleich mitgeliefert, eine Moral, die nimmersatt am reich gedeckten Tisch sitzt und mächtig aufbegehrt, wenn Flüchtlinge sie an ihren Worten messen. – Bildnachweis: medico international
2 Kommentare . Trackbacken . Thema: Globalisierung
12.06.07 um 21:24 von Ralph
Tornados fotografierten Anti-G8-Camp im bis 150 Meter erlaubten Tiefflug. Auf Neudeutsch war das „Amtshilfe“, ein genialer Begriff, der zunehmend als Tarnwort für den Bundeswehreinsatz im Innern eingesetzt wird. ++ Wegen eines T-Shirts mit Piratenlogo durfte ein schwedischer Jurist nicht nach Deutschland einreisen, er wollte zum alternativen G8-Gipfel. Bei dem Aufdruck handelte es sich um das Logo der schwedischen Anti-Copyright-Organisation Piratbyrån. ++ Gezielte Faustschläge gegen friedliche Demonstranten gehören zur gewaltbereiten „Deskalationsstrategie“ der „G8-Sonderpolizeibehörde Kavala“. Kleine aufschlussreiche Notiz am Rande: 90 Prozent der 1200 Käfiggefangenen „seien von den Gerichten nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gelassen worden“. Zum Vergleich und zur Tradition des deutschen Nachkriegsstaates in Sachen Willkür und Gewalt empfehle ich vor allem den Wellness-Journalisten einen Artikel, der weitaus besser ist als seine Überschrift: Der Student Benno Ohnesorg wurde vor 40 Jahren Opfer einer Polizeikugel.
Weitere Konsumblog-Beiträge zum Thema unter G8 2007
7 Kommentare . Trackbacken . Thema: G8 2007
12.06.07 um 20:42 von Ralph
Empfehlenswert die Fotoserie G8 Summit – Heiligendamm von Timo Vogt, siehe auch seine sonstigen hervorragenden Bildreportagen auf randbild.de.
Das folgende Foto zeigt nun nicht eine russische Polizeieinheit auf der Jagd nach Schwulen und Demokraten, nein, es ist schwarze Polizei aus der Bananenrepublik Deutschland, die den durch friedlich blockierende G8-Kritiker gefährdeten Hochsicherheitszaum beschützen wollten.
. Trackbacken . Thema: G8 2007
12.06.07 um 13:54 von Ralph
junge Welt: »Verpiß dich, du Arschloch«. Foto: Christoph Gollasch
Wie sagte Ulla Jelpke treffend im Interview zur Arbeit der Polizeiführung in Rostock.
„Durch die Pressearbeit wurde zudem nicht nur die Öffentlichkeit belogen, sondern auch die eingesetzten Polizeibeamten vor Ort in Panik versetzt. Ich denke es ist nur logisch, dass ein Polizeibeamter aggressiver agiert, wenn ihm zuvor erzählt wurde, Demonstranten würden versuchen ihn mit Säure zu beschießen.“
Noch einmal junge Welt: Ein Interview mit dem Arzt Michael Kronawitter, der gegen seine Verhaftung klagen will: »Wir wurden wie Hunde behandelt«. Edit: Mit Polizei-Willkür hat das natürlich rein gar nichts zu tun.
Weiterer Beiträge zum Thema:
– G8: Dokumentierte Polizeigewalt II
– G8: Dokumentierte Polizeigewalt I
– “Armselige Leistung die Medien” und Gewalt der Polizei
5 Kommentare . Trackbacken . Thema: G8 2007
12.06.07 um 10:58 von Ralph
Bio-Lebensmittel sind ja eine gute und gesunde Geschichte, aber was ist wenn die Bio-Ware dafür einmal um den ganzen Planeten transportiert werden muss? Vielleicht sollte man beim Einkauf von Bio-Lebensmittel auch auf das Produktionsland achten und möglichst heimische Bio-Produkte konsumieren.
Fahr nicht fort, kauf im Ort! ;-)
Auch aktuell: Verbraucherschützer warnen vor Aufweichung von Bio-Standards
Nachtrag: Bio-Standard wird doch ab 2009 gelockert.
Vielleicht gibt es erst einen „Aufstand“ wenn sie uns ans Bier wollen?
Infolink: Informationsdienst Gentechnik
Jetzt auch im SPON angekommen.
8 Kommentare . Trackbacken . Thema: Ernährung
11.06.07 um 20:52 von Ralph
Interview mit Ulla Jelpke, der innenpolitischen Sprecherin der Links-Fraktion im Bundestag. Sie berichtet u.a über das eskalative Vorgehen der Polizei in Rostock und während der Blockaden bei Heiligendamm und die Entdeckung des „Schwarzen Blocks“ durch die Medien.
Konsumblog: Wie bewerten Sie das Vorgehen der Polizei auch im Hinblick auf Ihre Erlebnisse vor Ort? Was kritisieren Sie an der „Kalava“?
Ulla Jelpke: Man kann die Vorgänge in Rostock nicht isoliert betrachten. Die Polizei und die Bundesregierung haben schon im Vorfeld des Gipfels die Situation gezielt angeheizt. Durch das permanente Beschwören von Gewalt und durch die gezielte Repression gegen den radikalen, den Kapitalismus ablehnenden Teil der Bewegung wurde eine Stimmung geschaffen, die genau das Gegenteil von Deeskalation war.
Zu Beginn der Demonstration am 2. Juni hat sich die Polizei dagegen in der Tat zurückgehalten. Direkt nach den ersten kleinen Ausschreitungen ist diese Linie jedoch vollkommen gekippt, Einheiten der Polizei stürmten immer wieder auf den Kundgebungsplatz und verunmöglichten so, dass die Veranstaltung auf der Bühne fortgesetzt werden konnte.
In der Woche der Blockadeaktionen konnte von einer Deeskalationsstrategie keine Rede mehr sein. Kontinuierlich wurden im gesamten Gebiet um Rostock Personenkontrollen durchgeführt, schon das Mitführen von Funkgeräten oder Sonnenbrillen reichte der Polizei als Grund für eine Ingewahrsamnahme aus. Nach Schätzung des Anwältlichen Notdienstes erfolgten 95 Prozent dieser Ingewahrsamnahmen rechtswidrig und wurden richterlich aufgehoben. Bei den Blockaden selbst ging die Polizei teilweise äußerst brutal gegen alle Versammlungsteilnehmer vor und setzte Wasserwerfer auch gegen friedliche Versammlungen ein.
Skandalös war zudem die eskalative Pressearbeit der Polizei. Kontinuierlich wurden Falschmeldungen verbreitet, die allen Anschein nach das Ziel hatten, die Proteste in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dies begann mit der maßlosen Übertreibung der bei den Ausschreitungen am 2. Juni verletzten Polizisten. Während Polizeisprecher zuerst von über 40 schwer verletzten Beamten sprachen, bestätigte die Polizei Tage später Presseberichte, wonach lediglich zwei Polizisten stationär behandelt werden mussten. Auf der Grundlage der falschen Zahlen wurde jedoch in der politischen Landschaft wie wild über eine weitere Aufrüstung der Repressionsorgane debattiert, etwa den Einsatz der GSG 9 bei Demonstrationen. Die Clownsarmy, die aufgrund ihres fröhlich – antiautoritären Charakters in den Medien positive Resonanz hervorrief, wurde beschuldigt, Säure auf Polizeibeamte zu verschießen; Demonstranten sollen Kartoffeln mit Nägeln gespickt und an dem Blockadepunkt „Galopprennbahn“ Molotov-Cocktails gelagert haben. Alle diese Mitteilungen erwiesen sich im Nachhinein als falsch.
Durch die Pressearbeit wurde zudem nicht nur die Öffentlichkeit belogen, sondern auch die eingesetzten Polizeibeamten vor Ort in Panik versetzt. Ich denke es ist nur logisch, dass ein Polizeibeamter aggressiver agiert, wenn ihm zuvor erzählt wurde, Demonstranten würden versuchen ihn mit Säure zu beschießen.
Konsumblog: Am Freitag den 8.6. hat die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern den Einsatz eines eingeschleusten Zivilpolizisten bei einer Blockade „vor der Kontrollstelle Galopprennbahn“ bestätigt. Die Demonstranten werfen dem Zivilpolizisten Aufstachelung zur Gewalt vor. Die Polizei widerspricht und rechtfertigt den verdeckten Einsatz als „Bestandteil der Deeskalationsstrategie“. Das nährte Spekulationen, dass auch im „Schwarzen Block“ am 2. Juni in Rostock verdeckte Ermittler im Einsatz gewesen sein könnten, vielleicht auch als „Agent Provocateurs“. Was wissen und denken Sie darüber?
Ulla Jelpke: Ich selbst habe die Entlarvung des Provokateurs nicht persönlich erlebt. Allerdings ist die Szene ja sowohl von Journalisten als auch durch Anwälte des „Legal-Teams“ gut dokumentiert. Dass die Polizei zahlreiche Zivilpolizisten einsetzt, ist bekannt und wird auch offiziell zugegeben. Die in diesem Zusammenhang relevante Frage ist deshalb, ob diese Zivilpolizisten auch als „Agent Provocateur“ agieren, also versuchen, die Situation aufzuwiegeln und militante Auseinandersetzungen zu starten. Das Vorgehen ist aus zahlreichen Ländern bekannt und hat letzten Endes zum Ziel, die Bewegung in der Öffentlichkeit als gewalttätig darzustellen, sie so zu diskreditieren und gleichzeitig die staatliche Repression zu rechtfertigen.
Die Bundesregierung hat mir in einer Kleinen Anfrage zu den Polizeieinsätzen in Heiligendamm, die ich drei Wochen vor dem Gipfel gestellt habe, geantwortet, „Agent Provocateurs“ würden in Deutschland grundsätzlich nicht eingesetzt. Anscheinend kann man nun durch den Vorfall an der Galopprennbahn beweisen, dass exakt das Gegenteil der Fall ist.
Interessant an dem Vorfall ist auch, dass die dortige Blockade ausdrücklich ein deeskalatives und gewaltfreies Konzept hatte, auf das sich alle Teilnehmer zuvor verbindlich festgelegt hatten. Die Situation an der Blockade war auch die ganze Zeit über sehr entspannt. Sollte sich bewahrheiten, dass die Bremer Zivilpolizisten die Blockierer gezielt zu Gewalt aufgefordert haben, würde dies ein Eskalationsinteresse der Polizei belegen.
Ob Zivilpolizisten auch an den Auseinandersetzungen am Rande der Großdemonstration beteiligt waren, kann momentan nicht sicher bewiesen werden. Es gibt jedoch zahlreiche Videoaufnahmen und Berichte von Demonstrationsteilnehmern, die den Schluss nahe legen.
Konsumblog: Stichwort „Gefangenensammelstellen“. Der Republikanische Anwaltsverein hat das gesetzeswidrige Verhalten der Polizei kritisiert. So wurde den „Gefangenen“ der Kontakt zu Anwälten verweigert. Was wissen Sie über die Vorkommnisse in diesen Gefangenensammelstellen und wie bewerten Sie das Verhalten der Polizei?
Ulla Jelpke: In Rostock wurden in der letzten Woche zahlreiche Grundrechte ausgehebelt. Hierzu gehört auch, dass Rechtsanwälten zumindest in einer Gefangenensammelstelle der Zugang zu ihren Mandanten unter fadenscheinigen Gründen verwehrt wurde. Auch ist ein Fall bekannt, in dem ein Rechtsanwalt weggeprügelt wurde, als er bei einer Blockade den Namen eines Gefangenen erfahren wollte.
Über die Zustände in den Gesas ist ja mittlerweile zum Glück einiges an die Öffentlichkeit gedrungen. Die Zustände entbehren jeglicher Beschreibung. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Käfige eigentlich nur zur „vorübergehenden“ Unterbringung, von Gefangenen dienen sollten, Personen dort jedoch regelmäßig über zwölf Stunden festgehalten wurden, ist die Vorgehensweise mit menschenrechtlichen Standards unvereinbar.
Konsumblog: Gibt es Anzeichen, dass die Bundeswehr in Heiligendamm illegal eingesetzt wurde?
Ulla Jelpke: Die Bundeswehr hat bei ihrem Einsatz zum G8 Gipfel zahlreiche klassische Polizeiaufgaben übernommen. So erstellten Panzerspähwagen im Auftrag der Polizei Lagebilder, nach Berichten von Demonstranten kreisten auch Hubschrauber der Bundeswehr zu Aufklärungszwecken über den Blockaden. Die Bundeswehr hat damit direkt auf die Einsatzgestaltung der Polizei Einfluss genommen und so die „logistische Unterstützung“ und die „Amtshilfe“, die sie laut Art. 35 in Friedenszeiten leisten darf, weit überschritten. De facto haben wir demnach einen, wenn auch kleinen, Einsatz der Bundeswehr im Inneren erlebt, was eindeutig grundgesetzwidrig ist.
Konsumblog: Wie bewerten Sie die Berichterstattung der etablierten Medien wie Nachrichtensendungen, Presseagenturen und Online-Presse.
Ulla Jelpke: Die bürgerlichen Medien haben sich leider zu einem großen Teil auf die Meldungen der Polizei verlassen und diese unkritisch übernommen. Hierdurch kursierten auch die zahlreichen Falschmeldungen der Polizei als angebliche Fakten in der Presse.
Zudem kam es insbesondere bei der Großdemonstration am 2. Juni zu einer vollkommen verzerrten Darstellung der Ereignisse. Viele Berichte verzichteten auf eine sachliche Darstellung der Ereignisse und weckten den Eindruck bürgerkriegsähnlicher Zustände. Dies war jedoch, und mittlerweile wird dies größtenteils auch eingeräumt, definitiv nicht der Fall.
Konsumblog: Auf vielen Demos habe ich erlebt, dass mit „schwarzen Blöcken“ keine Gewalt eskalieren muss, wenn die Polizeiführung es nicht will. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass es gerade jetzt in dem Ausmaß passiert?
Ulla Jelpke: Selbstverständlich muss die Situation nicht eskalieren, nur weil ein „Schwarzer Block“ an der Demonstration beteiligt ist. Auch wenn es so scheint, dass der „Schwarze Block“ gerade erst Eingang in die bürgerlichen Medien gefunden hat, existiert die Bewegung der Autonomen schon seit über 20 Jahren. Dennoch kommt es ja nicht kontinuierlich zu Straßenschlachten. Dass es auf der Demonstration am Samstag zu lang andauernden Auseinandersetzungen gekommen ist, lag aus meiner Sicht primär in der schon im Vorfeld massiv aufgeheizten Stimmung.
Konsumblog: Wenn Eskalation politisch gewollt wäre, wie kann man sich das naiv gefragt vorstellen? Hat Herr Schäuble mit der Polizeiführung in Heiligendamm ein geistiges Band gestrickt? Wären personelle Verstrickungen zwischen Politikern und Polizei aufzuspüren? Oder hat sich eine Eigendynamik entwickelt, die mit den bundesweiten Razzien gegen G8-Protestgruppen am 9. Mai 2007 begann?
Ulla Jelpke: Ich denke, von allem etwas. Natürlich besteht von staatlicher Seite ein Interesse daran, zu einer Eskalation beizutragen. Sonst wäre schon im Vorfeld ganz anders agiert worden. Wegen des Abbrennens mehrerer Autos und dem Verüben von Farbanschlägen auf Häuser in verschiedenen Städten nahezu die gesamte Infrastruktur des radikalen Anti-G8–Spektrums zu durchsuchen, zeigt dies deutlich. Selbst ein Polizeipsychologe hat die Panikmache im Vorfeld des Gipfels massiv kritisiert. Dennoch hat sich insbesondere nach den Razzien auch eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Mit einer solch großen Empörung, die bis weit in das bürgerliche Lager hineinreicht, hatten die Sicherheitsbehörden anscheinend nicht gerechnet.
Konsumblog: Was werden und können Sie als Abgeordnete tun, um bei der Aufklärung polizeilicher Gewalt und Provokationen mitzuhelfen?
Ulla Jelpke: Natürlich versuche ich, polizeiliche Gewalt und Provokationen soweit es geht aufzudecken. Die parlamentarischen Kontrollinstrumentarien erweisen sich hierbei jedoch als relativ stumpf. Erstens liegt die Kompetenz weitgehend bei den einzelnen Bundesländern und zweitens zeigt sich die Bundesregierung bei diesem Thema sehr zugeknöpft.
Dennoch werden die Ereignisse um Heiligendamm ein parlamentarisches Nachspiel haben. Momentan bereiten wir mehrere Kleine Anfragen zu der Aussetzung der Grundrechte und dem Einsatz der Bundeswehr vor. Natürlich thematisieren wir die Geschehnisse auch in den entsprechenden Ausschüssen, zudem planen wir mit den Betroffenen eine Anhörung in der Fraktion.
Das wichtigste ist jedoch, die Öffentlichkeit für diese Problematik zu sensibilisieren und Übergriffe zu dokumentieren. Gerade bei den Blockaden um Heiligendamm hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Polizei bei gewaltsamem Vorgehen die Präsenz von Medien fürchtet. So berichten Medienvertreter, sie wären von der Polizei daran gehindert worden, die Räumung von Blockaden zu dokumentieren. Bei Aktionen des zivilen Ungehorsams ist deshalb ein offensives Umgehen mit den Medien oftmals sehr sinnvoll, da so die Hemmschwelle der Polizisten zur Anwendung von Gewalt steigt.
Konsumblog: Vielen Dank für das Interview.
Ulla Jelpke, die seit 1990 über die Landesliste Nordrhein Westfalen in den Bundestag gewählt wird, habe ich das erste Mal 2002 als engagierte Politikerin wahrgenommen. Sie setzte sich als eine der wenigen Politiker für das Bleiberecht der Roma in Nordrhein Westfalen ein, deren Protest wir über Monate in Düsseldorf und Essen mit der aktion roma unterstützt hatten.
5 Kommentare . Trackbacken . Thema: G8 2007
11.06.07 um 01:15 von Ralph
Hier ein weiteres Video zum Thema Polizeigewalt, die Einheit 2422 arbeitet nicht zimperlich. Bemerkt habe ich zweimal, wie Ordner der Demonstranten (vermute ich) bereits zu Boden geschlagene Demonstranten helfen.
Blogger bleiben am Ball: Der zweite Teil: Chronologie einer Falschmeldung II unter anderem mit einer keiner Antwort aus der WAZ-Redaktion, siehe dazu auch das Pottblog.
Im Mark Seibert:Logbuch wird kontrovers über das immer häufiger zitierte Video diskutiert, auf dem ein Polizeiwagen massiv angegriffen wird. Nachdem die Angreifer sich zurückziehen, fährt der Wagen los, aber irgendwie locker, kann auch täuschen. Aber trotzdem wirft das Video Fragen auf.
Chris vom F!XMBR mit einem Beitrag über einen Kommentar von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung: Der artgerechte Staat. Ein paar Worte gegen die Fanatiker der „inneren Sicherheit“ und der Ruf nach den friedlichen Bürgern, die sich den Abbau des Rechtsstaats nicht mehr gefallen lassen“ sollen.
Und man stelle sich vor, auch die russische Tageszeitung Kommersant hat sich ein Bild über die friedfertige deutsche Polizei gemacht. Man könnte das auch als zynisches Auslachen interpretieren, denn in Russland herrschen sie mit Mitteln, die sich hier mancher Bruder Schäuble wohl wünscht. Der Eindruck kann entstehen.
. Trackbacken . Thema: G8 2007
10.06.07 um 22:17 von Ralph
Im G8-Beobachten ganz untergegangen, der folgende Bericht auf tagesschau.de: Kriminelle Geschäfte mit dem Fleisch oder wie „das Geschäft mit dem Gammelfleisch funktioniert“. Fest steht: Es funktioniert sehr gut, unter anderem auch, weil Politiker wie Seehofer sich weigern, schärfere Gesetze und härtere Strafen durchzusetzen. Die Gesetzeslage fördert diese Fleischverwerter, das Geschäft scheint wie ein Schlachthof im Schlachthof zu sein. Im Schlachthof darf man gerne unter 2 Euro antreten.
Verantwortlich für diesen Zustand ist der vielgescholtene „gnadenlose Wettbewerb“, den selbst die B*LD verurteilt, den aber nur eine Minderheit im Land entschärfen will. Dabei wäre alles so einfach, wenn der Deutsche mehr Fleisch essen würde, damit die „Sieben Millionen Tonnen Fleisch“ aus jedem Jahr verbraucht würden. Nur dürfte man sich dann nicht beklagen, wenn es einem früher oder später schlecht würde.
Weiterführende Beiträge:
– Die Fleischgesellschaft
– „Eingreiftruppe Lebensmittel“
. Trackbacken . Thema: Ernährung,Verbraucherschutz
9.06.07 um 22:12 von Ralph
Unter “Armselige Leistung die Medien” und Gewalt der Polizei hatte ich vor einigen Tagen ein Foto zitiert, das einen Polizisten dabei zeigt, wie er einen sitzenden Demonstranten aus nächster Nähe mit Pfefferspray angreift. Nun ist auch per Video auf G8-TV.org ein Fall während einer Sitzblockade am westlichen Tor des G8-Zauns dokumentiert – via Last Blog On Earth.
Bitte auch das folgende Video von gestern beachten, das dokumentiert, wie die Polizei den Zugang von Rechtsanwälten zu Richtern und Inhaftierten behinderte. Anders gesprochen: Die Polizei schert sich einen Teufel um Gewaltenteilung und Rechtsstaat: Rechtswidrige Zustände im Gefangenensammellager Rostock.
Sieht man ein Interview wie das folgende eigentlich auch in den „tagesthemen“ oder im „Heute Journal“? „Bericht zu Kavala und polizeilichen Maßnahmen gegen DemonstrantInnen. Der Anwaltsnotdienst schildert Ereignisse der vergangenden Tage (5.6.)“: Allgemeine Repression
Hatte ich bereits gepostet, passt hier aber unbedingt hinein: Spiegel online zeigt ein Video unter dem Motto: Wie eine Perücke zur Straftat wird – via YiGG.de.
Weiterer Beiträge zum Thema:
– G8: Dokumentierte Polizeigewalt I
– “Armselige Leistung die Medien” und Gewalt der Polizei
. Trackbacken . Thema: G8 2007
9.06.07 um 19:29 von Ralph
Das ist ein Grund zum Aufatmen: Es gab nach der Gewalt in Rostock und bei den Blockaden rund um Heiligendamm keine Eskalation, kein zweites Genua. Auch wenn die Polizei in Rostock und um Heiligendamm punktuell gewalttätig gegen Demonstranten vorging und sie in Käfige einsperrte, auch wenn es nach Sachlage realistischer wird, dass die Polizei mit Hilfe von Polizeiprovokateuren die Gewalt in Rostock erst anstachelte, die G8-Kritiker haben sich ihr Recht auf zivilen Ungehorsam und Widerstand nicht nehmen lassen.
Die zum großen Teil sehr jungen Globalisierungskritiker haben sich erfolgreich gegen die Einschränkung ihrer demokratischen Rechte gewehrt und sind in die „verbotene Zone“ bis zum „Sicherheitszaun“ vorgedrungen. Sie haben friedlich, mutig und hartnäckig Straßen blockiert, haben trotz massiver Behinderungen seitens der Polizei ihre Camps aufgebaut und halten können, haben sich durch die massive und auch gewaltbereite Polizeipräzenz nicht den Mut zum Protest nehmen lassen und konnten sogar Sympathien bei den Anwohnern gewinnen, weil die Menschen vor Ort u.a. erlebt haben, dass es eben keine „gewaltbereiten Chaoten“ sind.
Am 2. Juni sah es dagegen düster aus um die G8-Proteste. Blogger wetterten wütend und empört über die Gewalt des „schwarzen Blocks“, der „Autonomen“ und „linken Chaoten“, manchmal so wie es die BILD nicht hätte besser tun können. Ich war erstaunt wie schnell der Sündenbock ausgemacht war, blieb aber skeptisch. Ich habe mit der Bereitstellung von aktuellen Linksammlungen kurz nach dem WTC-Anschlag und vor Beginn der Angriffskriege gegen Afghanistan und den Irak 2003 gelernt, das ein Teil der Online-Presse sich hochzieht an Gewalt, anstatt zu informieren, zu recherchieren und zu hinterfragen.
Selbst ein skeptischer und gebilderter Blogger wie der Spiegelfechter gab nach kurzer Zeit selbstkritisch zu, dass er sich durch die Gewaltberichterstattung der Medien beeinflussen lassen habe in seinem Urteil über die Gewalt in Rostock. Insgesamt war der Spiegelfechter für mich in den letzten Tagen das ergiebigste Weblog in Sachen G8-Protest und Medien, zumal dort eine lebendige kleine Community die Artikel mit weiterführenden Links und Kommentaren fütterte (die Links sind unten).
Die Blogosphäre wäre nicht die Blogosphäre, wenn nicht ihre aufmerksamsten Akteure blitzschnell als Korrektiv der etablierten Online-Presse auftreten würden. So wurde zum Beispiel die DPA-Falschmeldung – BILD-Kurzfassung: „Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen“ – im Weblog des Spiegelfechters als Falschmeldung entlarvt und Stefan Niggemeyer schrieb bereits knapp 3 Tage später – solange brauchte die DPA, um die Meldung zu korrigieren – die Chronlogie einer Falschmeldung. Sie zeigt traurigerweise, wie unkritisch und unreflektiert die etablierten Medien arbeiten. Sie zeigt zudem, was sich nun in den Köpfen der Menschen, die sich nur oberflächlich informieren, über den Rostocker 2. Juni 2007 gefestigt haben dürfte. Insgesamt dienen die „Krawalle“ nun den demokratiefeindlichen Kräften in den Parteien und im Staat als Vorwand, um linken Widerstand offensiver zu kriminalisieren, wie ein Spon-Artikel vom 9. Juni vermuten läßt: Regierung will Autonome stärker überwachen.
Ich weiss nicht, wie das andere Blogger wahrnehmen, die in den letzten Tagen gegen die etablierten Medien und ihren „gewaltgeile“ Berichterstattung angingen, aber ich hatte das Gefühl, dass das kritische Infragestellen der Blogger zumindestens Spiegel online wieder auf einen sachlicheren und ausgewogeneren Weg brachte.
Insgesamt bewerte ich die Berichterstattung von Spiegel online, Netzeitung, Focus.de, n-tv, Welt, NDR gerade in den ersten Tagen als manipulativ, sensationsheischend und unsachlich. Jens Berger hat das in seinem Text MedienGAU Rostock sehr kompakt auf dem Punkt gebracht. Allein die Headlines und gewählten Fotos suggerierten in den ersten Stunden der Gewalt in Rostock Eskalation in einer Weise, die nicht nur mich vermuten liess, dass man sich die Eskalation sehnlichst wünsche. Der Zynismus der Redakteure und Journalisten wurde später in nicht wenigen Weblogs als solcher erkannt und es wurde dagegen angeschrieben und kommentiert.
Auch wenn aus meiner Sicht nur ein kleiner Teil der Blogosphäre an der Herstellung einer blitzschnellen „Gegenöffentlichkeit“ teilnahm, wer sich aber über diesen Teil des Webs informierte, war sehr schnell über die dreistesten Manipulationen auf dem Laufenden: Ich erinnere an die angebliche Herstellung von Molotow-Cocktails, an die Diskussionen, Bilder und Videos, die Polizeigewalt aufdeckten und verdeckte Ermittler und Polizeiprovokatuere in Rostock und bei den Blockaden dokumentierten. Thematisiert wurden auch die „Gefangenensammelstellen“ und unwürdige Behandlung der festgenommenen Demonstranten, zudem der Einsatz von Feldjägern, der die Frage aufwarf, ob die Bundeswehr illegal eingesetzt würde. Ein Höhepunkt kursierender Falschmeldungen war der Vorwurf, dass die „Rebel Clown Army“ „chemische Flüssigkeiten gegen Polizisten“ eingesetzt haben soll, wie das DDP und NDR anfänglich verbreiteten, wobei der NDR das still und heimlich zurücknahm. Die Polizei machte die Meldung „glaubwürdig“, in dem sie von 8 Beamten sprach, die im Krankenhaus behandelt werden müßten.
Ich sprach oben vom Aufatmen, da die Gewalt nicht eskaliert ist. Das haben wir nicht dem Staat, sondern den Demonstranten zu verdanken. Nach dem ersten Aufatmen fängt die eigentliche Arbeit für alle demokratischen Kräfte erst an. Denn es geht nun darum, die Polizei für Rechtsbeugung, Gewalt und Provokation zur Verantwortung zu ziehen, es geht um Klagen gegen die Polizei, aber auch um weitere Berichte und Informationen aus der Blogosphäre.
Das ist ein Grund für mich, weitere Links unter diesem Artikel vorzustellen, wobei sich die ersten an diejenigen Leser richten, die die letzten 7 Tage nicht verfolgt oder sich nur über die etablierten Medien informiert haben. Schön wäre es, wenn der geneigte Leser diese Links in den Kommentaren erweitern würde, wenn sie Neuigkeiten hergeben. Ich denke, es wird in den nächsten Wochen noch einiges ans Tageslicht gefördert werden, was das Ausmaß repressiven staatlichen Handelns sichbar macht.
Update: Erfreulich: Grüne und Linkspartei wollen das Vorgehen der Polizei während des G-8-Gipfels untersuchen lassen, während die Polizei auf einer Pressekonferenz sich ganz toll findet. Und GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg lobt seine „übermenschliche“ Polizei in höchsten Tönen: „Unsere erfahrenen Einsatzkräfte wissen am besten, wie friedliche Demonstrationen zu schützen und kriminelle Gewalttäter aus dem Verkehr zu ziehen sind.“
Weiterführende Links
9 Kommentare . Trackbacken . Thema: G8 2007