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Interview: Am Selbstmord-Gen soll die Welt genesen

21. Januar 2006 um 16:32 von Ralph

Pflanzen, die ihre Samen selbst zerstören, damit Bauern Saat lizensieren müssen, das ist eine bedrohliche Offensive der Agrar- und Chemie-Konzerne, die zunächst abgewendet schien. Dass es nicht mehr so ist, darüber berichtet Sandra Blessin in dem folgenden Interview.

Konsumblog: Was ist das zentrale Ziel der Kampagne “Freie Saat statt tote Ernte – Terminator-Technologie ächten”?

Sandra Blessin: Vorrangiges Ziel der Kampagne ist, dass das weltweite Moratorium (vergleichbar mit einem Zulassungsstopp) auf die Terminator-Technologie erhalten bleibt. Bei der Terminator-Technologie handelt es sich um eine besonders aggressive Form der Agro-Gentechnik, bei der Pflanzen gentechnisch so verändert werden, dass ihre Samen steril sind. Bereits im Jahr 2000 haben sich die Unterzeichnerstaaten der Biodiversitätskonvention gemeinsam für eine Ächtung dieser Technologie eingesetzt, nachdem ein Fachgremium auf die Gefahren dieser Technologie aufmerksam gemacht hat. Jetzt versuchen einige Staaten, allen voran Kanada, Australien und Neuseeland das Moratorium zu kippen. Hierüber könnte bereits auf der 8. Vertragsstaatenkonferenz in Brasilien entschieden werden. Daher versucht die deutsche Kampagne “Terminator-Technologie ächten – Freie Saat statt tote Ernte” zumindest die deutsche Delegation dazu zu bewegen, sich gegen Terminator auszusprechen.

Darüber hinaus versuchen wir auch ein Verbot in das deutsche Gentechnikgesetz einzubringen und arbeiten eng mit der internationalen Kampagne zusammen.

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Foto: Malte Kreutzfeldt, Attac

Konsumblog: Wie ist Resonanz in der Bevölkerung, in Presse und der Politik auf die Kampagne?

Sandra Blessin: Unsere erste Pressekonferenz war gut besucht und hat auch darüberhinaus noch einige Nachfragen von Radiosendern und Printmedien bekommen. Wir hoffen, dass dieses Interesse noch einwenig anhält, so dass die Bundestagsabgeordneten vor der Abstimmung gut informiert sind.

In der Bevölkerung ist die Terminator-Technologie noch nicht besonders bekannt, umso wichtiger ist daher, auf die Gefahr aufmerksam zu machen bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist und Pflanzen bereits auf unseren Äckern und Lebensmitteln sind.

Konsumblog: Der Begriff Terminator-Technolgie klingt sehr reisserisch. Warum fiel die Wahl auf diesen Begriff und welchen Vorgang bringt er auf den Punkt?

Sandra Blessin: Der Begriff Terminator-Technologie wurde seinerzeit von der kanadischen Nichtregierungsorganisation ETC-Group gewählt. Sie bezeichnet sehr zutreffend, dass Terminator-Saatgut durch die eingebauten Selbstmord-Gene neues Leben terminiert, also einen freien Nachbau und damit die Selbstbestimmung der Bäuerinnen und Bauern weltweit unmöglich macht.

Konsumblog: Wie stark ist heute freies Saatgut bedroht?

Sandra Blessin: Noch werden weltweit trotz strenger Sortenschutz- und Patentregelungen 80 Prozent des Saatguts frei nachgebaut. Dies ist für den freien Austausch und die Züchtung von neuen Sorten von großer Bedeutung und fördert somit die Agrobiodiversität. Außerdem macht es Landwirte unabhänig von den wenigen transnationalen Unternehmen, die am liebsten für jedes Samenkorn jährlich kassieren würden.

Konsumblog: Welche Konzerne versuchen genmanipuliertes Saatgut durchzusetzen? Wie tun sie das?

Sandra Blessin: Fast alle großen Saatgutunternehmen sind in der Gentechnik aktiv, für die bedeutet es, dass sie gleichzeitig auch das dazugehörige Pestizid besser verkaufen können. Bei Terminator sind es vor allem Syngenta, Monsanto, Delta and Pine Land, aber auch die deutschen Firmen BASF und Bayer Crop Science.

Konsumblog: Welche Folgen hat die Monopolisierung von Saatgut für Bauern und Verbraucher und welche Rolle spielt die EU und Deutschland?

Sandra Blessin: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das biologische Patent Terminator in allen gentechnisch veränderten Pflanzen zusätzlich zur eigentlichen Genveränderung eingebaut wird, um die Wiederaussaat zu verhindern und den Landwirt zu einem jährlichen Neukauf zu zwingen. Das macht das Saatgut nicht nur teuer für Landwirte, sondern auch für Verbraucher. Das Geld wird dann wahrscheinlich in die Weiterentwicklung der Gentechnik fließen, so dass die wenigen Saatgut-Unternehmen, die den Weltmarkt beherrschen, immer mehr Technologien auf die Felder bringen. Es besteht auch die Gefahr, dass das sterile Terminator-Saatgut ausversehen ausgesäht wird. Eine nicht aufgegangen Saat bedeutet für viele Bäuerinnen und Bauern in der südlichen Hemisphären eine Katastrophe.

Konsumblog: Was kann der Bürger konkret tun, um sich gegen Terminator- Technologie zu wehren?

Sandra Blessin: Jeder kann auf unsere Website gehen: www.freie-saat.de und dort gegen die Terminator-Technologie unterschreiben. Die gesammelten Voten werden dann an den Umweltminister Gabriel geschickt. Außerdem hilft jede Spende, die Kampagne handlungsfähiger zu machen.

Konsumblog: Vielen Dank für das Interview.

Sandra Blessin ist Juristin und arbeitet als Bildungsreferentin für die BUKO Agrar Koordination. Sie ist Koordinatorin und Mitbegründerin der Kampagne Terminator-Technologie ächten – Freie Saat statt tote Ernte – wir berichteten.

Thematik: Protest & Kampagne,Verbraucherschutz . .