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G8-Proteste: Geruhsamen Morgen zur Presse- und Blogschau

8. Juni 2007 um 02:04 von Ralph

§1 Das Bundesverfassungsgericht habe den Sternmarsch der G8-Gegner verboten, bewerte aber zugleich „das Sicherheitskonzept der Polizei“ als „verfassungswidrig“, dazu Telepolis: Durchbruch bei Heiligendamm. Derweil wird der Protest hier und dort „verfassungswidrig“ weg vom Zaum geprügelt, eine verfassungsheilige Polizeitaktik sei Dank. Aber der Erfolg lies nicht lange auf sich warten, auch wenn es nur eine Frage ist: Versammlungsverbote verfassungswidrig, aber notwendig?Update: Das law blog hat einen Satz mit Zukunft entdeckt und Der Alphablogger hört „eine schallende Ohrfeige für Schäubles Machenschaften“.

§2 Ich befürchtete schon, dass alle hier mitlesenden Nachhaltigkeitsblogger den G8-Gipfel auf dem Bauernhof oder der Terrasse verpennen. Doch das war, wie so oft im Leben, eine Täuschung. Jens sprang in die Bresche, da ihm spontan einige konkrete Beispiele einfielen, wie „Staat, Polizei und Verfassungsschutz“ Gewalt anstachelten, siehe G8: Staatsgewalt und Medien generieren die gewünschten Nachrichten.

§3 Kleiner Presse(rück)blick für Leute, die gerade aus dem Urlaub kommen und kompakt über Aspekte der Desinformation informiert werden möchten: Deeskalation nicht verstanden. Dort auch den Link zum Quiz Qualifikation? Journalist! gefunden. Und staun an, die tageschau online mit einer Reportage aus der Gefangenensammelstelle Rostock ohne Spuren von Spon-Paranoia.

§4 Schaut an, die NachDenkSeiten sind fertig mit Nachdenken und wissen: Wer nur noch Gewalt sieht, gibt die Demonstrationsfreiheit auf. Man könnte auch titeln: Das ewige Elend der Massenpresse.

§5 Freitag bereits am Donnerstag mit der Frage: „Gab es je wirklich eine Entscheidung für den so genannten Deeskalationskurs, dessen Scheitern schadenfroh proklamiert wird?“ Ist das jetzt rhetorisch oder schon Wahrheitsfindung? Ein Hubschrauber hoch im grauen Himmel.

§6 Ad Hoc, Kollegen: Anwaltlicher Notdienst: Polizei setzt vermummte Zivilbeamte ein. Hat beim Anwaltlichen Notdienst auch das GEZ-TV einmal angefragt?

§7 „Mutmaßlicher Polizist der Polizei übergeben“ schreibt ngo-online und titelt hinzu: Polizei soll vermummte Zivilbeamte als Provokateure eingesetzt haben. Reizend der Hinweis auf eine Gas-Beigabe der Polizei:

Brisant ist auch ein Vorwurf, den die zum Lager der G8-Kritiker gehörende Pressegruppe Campinski erhebt. Danach habe die Polizei bei ihrem Vorgehen gegen Demonstranten am vergangenen Samstag Wasserwerfer eingesetzt, deren Ladung Tränengas beigemischt gewesen sei. Dies hatten auch Presse-Fotografen vor Ort berichtet. Unter den G8-Kritikern kursieren Berichte, dass auch am Mittwoch wieder entsprechende Wasserwerfer im Einsatz waren. Bei der Polizei heißt es dazu, eine „Beimischung von Reizgas“ gebe es nicht.

§8 Als ob wir mit „potentiellen Mördern“ in Rostock nicht schon genug Leid ertragen haben müssen, jetzt meldet eine Site auch noch Simultane Aggression um 15:00 Uhr und fragt: „Würden krawallwütige Autonome diesen Kampfplatz wählen?“ Aber Leute, so tief will doch niemand mehr in die Materie eindringen, wo doch die Gewalttäter bereits verurteilt werden.

§9 Das ist ein Statement, das die Hochredner der etablierten NGOs ins Schwitzen bringen sollte. Mit emphatischem Interesse gelesen im taz-Artikel: Inhalte? Welche Inhalte?

Die meisten Teilnehmer dagegen waren junge Leute im Alter zwischen 16 und 23. Die meisten von ihnen haben kaum mehr als ein diffuses Gefühl, dass sie keine Lust haben auf eine Welt, deren Utopie sich in Aktiengewinnen, Selbstunternehmertum und vollständig epilierten Körpern erschöpft. Dieses Bedürfnis ist legitim und verständlich. Und: Die zumeist ebenfalls jungen autonomen Gruppen mit ihrem laut skandierten „a-anti-anticapitalista“ waren deutlich näher dran an den Befindlichkeiten des Gros der Teilnehmer als das Geschwätz auf der Bühne. Junge Protestler bevölkern auch die aus allen Nähten platzenden Aktionscamps: internationale Orte des Zusammenlebens, Kennenlernens, Diskutierens und Lernens, die auf überraschend erholsame Weise frei sind von Statussymbolen und Werbung.

§10 Gute Nacht Focus (wer erklärt denen den Begriff Kultur? Hoffnungslos, ich weiss), allein wegen der Ballermann-Polemik gegen Herbert Grönemeyer. Ein paar klare Worte in der ARD tun den notorischen Beifallklatschern auf jeden Fall gut und das Grönemeyer-Interview in der taz vermittelt mehr als die meisten Medienstars in Deutschland öffentlich zu Denken in der Lage sind. So!

Thematik: G8 2007 . .

3 Kommentare

  • 1. Ralph | 8.06.07 um 03:57

    Da die dumpfe Polemik gegen Grönemeyer nicht mehr erreichbar ist auf Focus, zitiere ich sie:

    7. Juni 2007, 19:57
    Mensch, Herbert Grönemeyer,

    bleiben Sie einfach Mensch, anstatt zum Protestaktivisten zu verkommen. Dass Sie all ihre gut, also natürlich globalisierungskritisch gesinnten Kollegen zu „Grönemeyers Rock-Gipfel“ (ARD, Do, 18.20 Uhr) laden mussten, ist an sich ja eine feine Sache. Ein kleines Festival ist immer angebracht, dazu brauchen wir keine Gründe. Nur ein paar Flaschen Bier, ein paar Bands – und los geht’s.

    Sie und der ewige Weltverbesserer Bono von U2, die Sportfreunde Stiller und (oh, nein, Gnade bitte!) die Toten Hosen, die Fantastischen Vier und andere erwiesene Politrocker brauchen selbstverständlich trotzdem einen Grund. Den G8-Gipfel in Heilgendamm nämlich. Und das nervt gewaltig. Obwohl die Musik eigentlich toll war. Sie selbst, Mr. Bochum, haben neulich dekretiert, die Nähe zur Politik schade Popmusikern. Da hatte das Kanzleramt gerade versucht, Sie mittels Band-Aid Bob Geldof für das Treffen der Staatsfürsten zu vereinnahmen. Ihre Aussage ist aber auch richtig, wenn Sie die Nähe zur Politik suchen, um ihr mal so richtig die oberkritische Meinung zu geigen. Dafür haben Sie in meinen Augen Ihre Gaubwürdigkeit verspielt, seit sie auf dem Cover dieser streng antikapitalistischen Glamourpostille forderten, es müsse sich endlich was in Sachen Klima bewegen.

    Ein einziger Jahrmarkt der Eitelkeiten ist das, auf dem Sie politisch korrekt (und zum Wohle der Chartplazierung Ihres aktuellen Albums „12“) Ihre wohlfeile Gesinnung ventilieren. Da schlägt’s Zwölfe, wenn ausgerechnet Sie nun als Bundesfolkloreonkel den Soundtrack zu jedem größeren nationalen Ereignis liefern. „Zeit, dass sich was dreht“ zur Fußball-WM – hat sich denn seither was gedreht, und wenn ja, was? Oder war das sowieso nur so Optimismus-Aufschwungs-Gedudel, Hauptsache die zugehörige CD hat Konjunktur? Schluss damit! Rocker sollen rocken und mich mit Ihrer edlen Weltanschauung verschonen. George Bush & Co. finde ich auch so zum Speien. Dazu brauche ich nicht von saturierten Hitparademillionären per TV-Protestkonzert aufgerufen werden, die so tun, als müssten ausgerechnet sie jetzt mal den Druck von der Straße mobilisieren.

    Keine Macht für niemand,

    Ihr Gregor Dolak

    Edit: Mein Kommentar wurde nicht durchgelassen

  • 2. Dennis' Internet World 20&hellip | 8.06.07 um 11:59

    Schade, immer noch keine Randale?…

    Zweiter Tag beim G8-Gipfel in Heiligendamm. Ein weiterer Tag, bei dem es tausenden Demonstranten gelungen ist, friedlich bis zum Sicherheitszaun vorzudringen, den sie eigentlich nach dem Willen der Politik und Polizei niemals hätten erreichen dürfen….

  • 3. Dennis' Internet World 20&hellip | 8.06.07 um 11:59

    Schade, immer noch keine Randale?…

    Zweiter Tag beim G8-Gipfel in Heiligendamm. Ein weiterer Tag, bei dem es tausenden Demonstranten gelungen ist, friedlich bis zum Sicherheitszaun vorzudringen, den sie eigentlich nach dem Willen der Politik und Polizei niemals hätten erreichen dürfen….

  • 4. MeOnly Weblog&hellip | 9.06.07 um 02:32

    Cui bono? Wem nützt es?…

    Bei meinen Streifzügen durch die Blogosphäre fiel mir in den letzten Tagen häufig auf, dass andere Webpublizisten ebenfalls – direkt oder indirekt – die Frage stellen, die für mich persönlich von vornherein im Zentrum der Ereignisse rund um den G8…