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Konsum, Alltag und Globalisierung

Die WTO drängt Eifelbauer ins Aus

1. Februar 2006 um 05:35 von Ralph

In der Sendung Q21 im WDR-Fernsehen erklärte gestern der Milchbauer Josef Reuter aus der Eifel, warum ihn das Agrarabkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über kurz oder lang zur Aufgabe seines Familienbetriebes zwingt.
Diese Passage aus dem Fazit des WDR-Artikels zur Sendung kommt mir bekannt vor:

Der „freie Handel“ bedeutet billige Preise für uns Konsumenten: Eigentlich ein gutes Ziel der WTO. Doch bei dem momentanen Preissystem von WTO, Weltbank und IWF, d.h. viel zu billige Weltmarktpreise, ist der Ruin der Kleinbauern vorprogrammiert, egal ob in Kanada, Frankreich oder hier in Deutschland.

Die WTO und das Eifelbauer-Drama

Thematik: Globalisierung . .

7 Kommentare

  • 1. hoeflauw | 1.02.06 um 11:07

    Na und?

    Ich meine, der Bauer hat seit Jahrzehnten seinen Betrieb nur mit Subventionen aufrecht erhalten können, das heisst doch, dass er nicht wirtschaftlich arbeiten KANN, jedes andere Wirtschaftsunternehmen unterliegt den Anforderungen des Marktes. Der Unternehmer, der nicht bestehen kann, muss sich entweder anstellen lassen oder wenn er nichts gelernt hat eben Taxi fahren.

    Für den Bauern und Euch mag das ein Drama sein, für alle anderen ist seit langem Realität.

  • 2. Iris | 1.02.06 um 11:43

    Tja, und weißt Du, was noch für alle Realität sein wird, wenn das Globalisierungs-Preisdumping erst mal die Kleinbauern weltweit vom Markt verdrängt hat? Dann ist unser aller Ernährung von Monsanto & Co und ihrem Laborfraß abhängig. Da bin ich mal gespannt, ob die heutigen Sparfüchse den Geiz dann immer noch so geil finden (den ich persönlich übrigens für eine Rattenfalle halte). Aber vermutlich kann sich dann auch die Mehrheit der Bevölkerung in den heute marktdominierenden Industrienationen nix mehr leisten, weil die „Anforderungen des Marktes“ den Großteil ihrer Arbeitsplätze vernichtet haben werden. Und wer noch einen der wenigen Arbeitplätze ergattern kann, wird für Billiglöhne und ausschließlich zu den Bedingungen der Arbeitsgeber arbeiten. Na, klingt das nicht verlockend? Ach und übrigens, Taxi-Fahrer wird’s dann wohl auch nicht mehr viele geben, denn wer wird es sich dann schon noch leisten können, mit dem Taxi zu fahren?

  • 3. Ralph | 1.02.06 um 13:26

    Der letzte Milchbauer, Fotos zur Selbstwahrnehmung der Milchbauern hierzulande.

  • 4. Ralph | 1.02.06 um 13:54

    Was die Subventionen angeht, so hat hoeflauw ja gar nicht so Unrecht, vor allem wenn man sich die Zahlen anschaut. In den überaus interessanten Artikel Gülle statt Chemie, den ich bereits einmal zitiert habe, sind ein paar Zahlen aufgeführt:

    650.000 Menschen leben ausschließlich vom Säen, Pflügen, Melken, Misten – 3 Prozent der berufstätigen Deutschen. Diese 3 Prozent sind den Städtern zumindest in einem voraus: Sie beziehen längst Kombilohn. Der Staat zahlt durchschnittlich 8.045 Euro pro Bauer im Jahr – fast doppelt so viel, wie ein Harz-VI-Empfänger erhält. Den Städter dürfte das durchaus ärgern, denn das Gros der durchschnittlich 8.045 Euro zahlt er.

    Interessant in den Zusammenhang auch das Posting Die Top-Empfänger der EU-Agrarprämien: Nach dem Lesen wird einem klar, dass die subventionierten EU-Produkte schon lange die Bauern in den ärmeren Ländern in den Ruin treiben. Wie brutal in betroffenen Ländern Armut und Verzweiflung erzeugt wird. Kein Vergleich mit den ärmsten Bauernschicksalen hierzulande! So kann man es auch sarkastisch als ausgleichende Gerechtigkeit betrachten, wenn jetzt auch die hiesigen Bauern ihren Preis an das System der Profitmaximierung und des gnadenlosen asozialen Wettbewerbs entrichten müssen, von dem sie jahrzehntelang profitierten. Aber nicht nur Bauern, auch wir, die Konsumenten. Die nächsten 10 Jahre werden da sehr spannend

  • 5. Iris | 1.02.06 um 14:42

    Was soll ich sagen?

    Du bist der Milchbauer …vielleicht noch nicht heute, aber bald, wenn die Globalisierung weiter in dieser Weise vorangetrieben wird.

    Die Ursache des Problems ist imo nicht die jahrelange Subventionierung unserer Bauern durch die Steuerzahler (die ist nur ein Symptom der Krankheit), sondern die unfairen Preise für Lebensmittel auf dem Weltmarkt. Okay, Du hast ja Recht, dass bisher „nur“ die Existenzgrundlage der Bauern in Ländern vernichtet wurde, die sich eine staatliche Subventionierung ihrer Landwirtschaft nicht leisten konnten. Aber hilft es denen, wenn jetzt auch unsere Bauern ihre Existenzen verlieren (und es sind ja nicht nur die Bauern, sondern auch die Arbeiter in kleinen und mittelständischen Unternehmen, die durch das Preisdumping von Großkonzernen auf dem Weltmarkt ebenfalls reihenweise in den Ruin getrieben werden)? Wenn man die wegbrechenden Strukturen unserer Wirtschaftssysteme bis zur Wurzel zurückverfolgt, landet man immer bei der Globalisierung. Und wer fährt in diesem System die Gewinne ein? Einige wenige international operierende Konzernriesen. Alle anderen verlieren.

  • 6. Ralph | 1.02.06 um 15:03

    Ich habe mich ein bisschen doof gestellt. Natürlich gönne ich keinem Bauern hierzulande den Ruin, was würde ich mir anmassen! Und natürlich sind die wenigen Gewinner letztendlich immer auszumachen. Soweit können wir uns kopfnickend die Hand reichen, um danach zu fragen: Was tun? Wie geht es weiter, wenn der Bauer nur seine Subventionen sieht, die Konzeren nur Shareholder-Value und die Politiker nur ihre eigentlich korrupte Symbiose mit der finanzstarken Macht der Mächtigen? Wie weit kommen wir mit dem Feindbild transnationaler Konzern und seine Globalisierung?

  • 7. Iris | 1.02.06 um 15:39

    „und die Politiker nur ihre eigentlich korrupte Symbiose mit der finanzstarken Macht der Mächtigen“

    Genau da ist imo die Schwachstelle. Die Politik müsste eigentlich dafür sorgen, dass das Preis- und Lohnniveau in den Billiglohnländern an das unsrige angeglichen wird – nicht umgekehrt. Und wir Konsumenten können dazu beitragen, unsere eigenen Arbeitsplätze zu erhalten, indem wir der Geiz-ist-geil-Verlockung widerstehen. Denn wenn wir das nicht tun, wird sie über kurz oder lang auf uns selbst zurückfallen. Wir sitzen alle im selben Boot – Du, ich, der Milchbauer in der Eifel und der Reisbauer auf den Philippinen. Wenn wir das nicht realisieren und uns gleichgültig wegdrehen, solange bis wir selbst an der Reihe sind, werden wir in absehbarer Zeit alle auf der Verliererseite sein.