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Konsum, Alltag und Globalisierung

Produkt Gutes Gewissen

17. Juli 2007 um 12:34 von Ralph

Warenkunde von Wolfgang Ullrich: Trinken für eine bessere Welt oder was die Bionade-Werbung über die neue Rolle des Guten Gewissens aussagt:

Kaum etwas wird in letzter Zeit nämlich so gerne zum Produkt gemacht wie das gute Gewissen. Marken nehmen Werte wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit für sich in Anspruch, sie erfinden immer neue Gütesiegel, die sie als besonders ökologisch oder fair ausweisen sollen, und sie betonen ihre Verantwortlichkeit. In vielen Varianten werden dem Konsumenten Geschichten erzählt, die ihn in der Rolle des sensiblen Mitbürgers, aufgeklärten Aktivisten und moralischen Vorbilds erscheinen lassen. So viel gutes Gewissen wie heute war also noch nie zu kaufen. Man muss es sich jedoch leisten können, gilt doch die Faustregel, dass die Moral-Geschichten ziemlich kostspielig sind. Damit funktioniert der Moral-Konsum nach demselben Prinzip wie der Ablasshandel des Mittelalters, als man sich mit Geld vom Fegefeuer freizukaufen – und ein reines Gewissen zu erwerben – versuchte: Wer reich war, zahlte an die Kirche oder engagierte andere Menschen, die an seiner Stelle fasteten oder auf Wallfahrt gingen. Heute kauft man sich eine Limonade, lässt andere stille Taten vollbringen – und genießt dafür das gute Gewissen. Nur wer auf jeden Cent schauen muss, hat – wie ehedem – Pech und muss auf das Gefühl verzichten, auf der richtigen Seite zu stehen.

Thematik: Konsumkritik . .

8 Kommentare

  • 1. Manuel | 17.07.07 um 15:41

    Klar, die Werber, die sich die stillen-Taten ausgedacht haben, wissen Bescheid über virales Marketing.

    Irgendwie finde ich es sehr lustig und auch leider sehr „deutsch“, dass man erst jemanden hochjubelt (vgl. Berichte zu Bionade in den letzten Jahren) und dann, wenn man so langsam im Mainstream ankommt (Umsatz, Mitarbeiterzahlen, Verbreitung und klar! auch Werbung), anfängt wieder „niederzuschreiben“.

    Viel interessanter als den Artikel bei der TAZ finde ich die Kommentare dazu. Und mit einem haben sie recht: gerade die TAZ macht doch emotionales Marketing par Excellence. Abo oder alle müssen hungern und die Welt wird wieder ein Stück ungerechter etc.

    Zwei Punkte sind aber erwähnenswert.

    1) Das Greenwashing vieler Firmen ist wirklich absurd und bringt einen hin und wieder ganz schön auf die Palme!

    2) Moderner Ablasshandel (interessante Diskussion z.B. bei karmakonsum: http://karmakonsum.de/klimaneutral-auto-fahren,149...) ist wirklich ein Phänomen und treibt seltsame Blüten…

  • 2. Ralph | 17.07.07 um 15:54

    Was das Marketing der taz angeht, ganz Deiner Meinung. Das Theater um die taz NRW z.B. war zudem geradezu nervenaufreibend, sehr penetrant. Aber für ein neues Magazin reicht das Geld.

    Irgendwie finde ich es sehr lustig und auch leider sehr “deutsch”, dass man erst jemanden hochjubelt …

    Das gerade an diesem Produkt festzumachen, geht in die Richtung des beleidigten Produktfans, der plötzlich feststellt, dass der Firma hoher Gewinn nicht reicht und die Konkurrenz bekämpft, siehe auch die einstweilige Verfügung gegen die „Nachahmer“-Brause von Plus.

    Was ich aber an der Bionade-Firma nicht verstehe ist, dass man nun plötzlich Geld für eine Kampagne ausgibt, die die Firma doch gar nicht nötig hat.

  • 3. Gernot H. | 18.07.07 um 11:31

    Ich finde den Ansatz gut – kritisch zu sein und zu bleiben halte ich für sehr wichtig, denn neben Firmen, die wirklich was tun, gibt es genügend, die nur so tun als ob.
    Der Autor schüttet für mich leider am Ende des Beitrages das Kind mit dem Bad aus und wird dadurch selbst unglaubwürdig – die konkrete Kritik an Bionade finde ich gut und überlegenswert, aber wenn er dann alles pauschal in Frage stellt und verunglimpft, kann man ihn nicht mehr ernst nehmen.

    Auch mit dem Ablasshandel würde ich keine Vergleiche herstellen wollen (nicht einmal beim CO2-neutralen-autofahren, auch wenn sich dort die Frage der Sinnhaftigkeit besonders aufdrängt) das ist mir dann doch zu reißerisch. Es geht hier nicht um das Jenseits, sondern um die Neugestaltung des Jetzt und Hier und da muß und darf vieles ausprobiert werden, auch wenn es seltsame Blüten sind.

  • 4. mutant | 18.07.07 um 21:54

    ob bionade die kampagne noetig hat oder nicht, woher weisst du das?
    ein produkt aus dem nischenmarkt in den „mainstream“ zu bringen, erfordert bisweilen sehr hohe investitionen und muss dann auch anders beworben werden, damit der absatz garantiert ist.
    ich wuerde uebrigens gern ueberall fritz-produkte haben…

  • 5. Ralph | 19.07.07 um 18:52

    In Berlin gäbe es Engpässe, das Zeug verkauft sich wie verrückt, was wollen die mehr, jetzt auch die Weltherrschaft über den Brausekonsumenten? ;->

  • 6. Manuel | 20.07.07 um 14:52

    Nun, ich würde mich definitiv nicht als „beleidigten Produktfan“ bezeichnen wollen :-)

    Klar, ich trinke hin und wieder Bionade und nein, die Maltonade habe ich noch nicht probiert. Auch das „Nox“ von Becks kenne ich noch nicht.

    Aus Sicht des Beobachters finde ich es sehr spannend, wie sich die ganze Sache entwickelt. Klar ist, der Konsument möchte Auswahl. Auch klar: Bionade möchte sich ihren Erfolg gerne fortführen.

    Aber wenn ich dann so etwas lese:
    http://www.lz-net.de/meinung/leserbriefe/forum/pag...

    …dann frage ich mich – reden wir hier von dem gleichen Produkt?

    Die Made im Speck, die ihre Produkte zu Höchstpreisen verkauft??? Ähm, was kostet so eine Flasche Bionade? Unsinnige Hochpreisprodukte gehen anders, meiner Meinung nach.

    Zum Thema schlecht-reden: Ist sicher bei Bionade noch im Anfangsstadium. Da bräuchten wir auch noch einen Skandal – Kinder pflücken die Beeren – oder: Bionadeerfinder kauft bei Lidl ein, etc.
    *ggg*

    Aber bad news are good news!

  • 7. mutant | 26.07.07 um 13:00

    maltonade schmeckt scheisse, uebrigens.

  • 8. subster | 13.09.07 um 23:00

    Dieses ganze Gerede über „Gutes Gewissen kaufen“ ist sowas für den Arsch ums in aller Deutlichkeit zu sagen. Der ganze Artikel ist kurzsichtiger, pseudosarkastischer Dorfjournalismus. Der Erde, dem Kaffebauer, dem Milchbauer, ect. ist doch wurscht weswegen es gekauft wird, hauptsache es wird gekauft und unterstützt. Sonst gibt es bald gar keinen fairen Handel mehr. Man könnte fast meinen das wäre das erklärte Ziel des fast reaktionär anmutenden Autors der TAZ.
    Echt. Und er der vermutlich mit fast jedem Artikel irgendeinen Scheißkonzern unterstützt bleibt ungesühnt und lacht hämisch über das sattgefressene Wohlstandspack das es sich fast schon ironisch erlaubt mit seiner Verbrauchermacht das Richtige zu unterstützen? Ekelhaft, das ist der Bildzeitungsjournalismus der Linken.