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Konsum, Alltag und Globalisierung

Kollektives Hungergefühl und Tierquälerei

5. Mai 2007 um 13:43 von Ralph

Nach dem Lesen von 127 Stunden Tierquälerei im Laster dachte ich an die Currywürste und das Grillfleisch, an die Döner und Restaurantgerichte, die ich mir im Laufe meines Lebens gedankenlos einverleibt habe. Wenn dann diese Gedanken mit nachfolgender Ermahnung zur Besserung verflogen sind, werde ich hier und dort wieder Teilnehmer dieses Wahnsinns hemmungsloser Fleischvernichtung, schliesslich möchte man nicht in jedem Zusammenhang als Spielverderber dastehen, der zudem noch den verdienten Appetit verdirbt, weil er Gammelfleisch, BSE, Tierquälerei, Umweltverschmutzung, Subventionspolitik und Lohndumping thematisiert. Das Glück der Verdrängung gepaart mit kollektivem Hungergefühl läßt oftmals im Kopf ein großes Scheissegal entstehen und aus der Gedankenverschwendung wird Gedankenlosigkeit. Aber auch wenn ich ökozertifiziertes Schweinefleisch esse, denke ich nicht an die Anforderungen der artgemäßen Schweinehaltung, beim Kochen von Öko-Eiern denke ich nicht daran, dass die Hühner glücklicher waren und nicht in kleinen Käfigen totgequält wurden und der Genuß von gutem Rindfleisch wird nicht durch das Versprechen gesteigert, die Tiere würden ohne Gentech- und Tierabfallfutter gemästet. Und wenn der Kollege mir im richtigen Moment eine Grillwurst anbietet, rattert tatsächlich nicht im gleichen Augenblick das Halbwissen über den fatalen, industriellen Raubbau der Natur im Kopf ab, nein, wenn die Stimmung stimmt und die Sonne scheint, dann wird die Wurst vertilgt. Das Denken hört beim Essen auf und unsere Biologie verbietet, Essen und Kotzen zur Protestform zu erheben.

Thematik: Ernährung,Umweltschutz . .

3 Kommentare

  • 1. Ralph | 5.05.07 um 13:54

    Fortsetzung folgt. Titel: Appetit und Ekel

  • 2. Claudia | 6.05.07 um 23:37

    Doch Ralph, das geht! Nicht immer, aber immer öfter vergeht mir beim Blick auf allzu billiges Fleisch im Supermarkt der Appetit, denn dann fallen mir die „Produktionsbedingungen“ ein… umso eher, je mehr entsprechende Dokus / Filme / Bilder / Texte ich dazu intus habe.
    Und wenn ich Öko-Eier esse, bin ich mir bewusst, dass sie von glücklicheren Hühnern stammen und das macht mich ebenfalls glücklicher!

    Wie gesagt: Nicht immer, aber immer öfter – DAS ist der Punkt, an dem viel mehr möglich wäre, wenn nicht jeder so erpicht auf „klare Verhältnisse“ wäre, was das eigene Selbstbild angeht. Man will bei den Guten sein, also DÜRFTE man diesen ganzen Wahnsinn nicht noch konsumierend mitmachen – tut man es trotzdem (der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach, wussten schon unsere Ahnen und Urahnen), dann lehnt man zumindest die Verantwortung ab: verdammt, das ist Sache der Politik, der Justiz etc., Essen ist BIOLOGIE, da will ich nur ans Würstchen denken und nicht an das Kalb, das dürstend durch halb Europa geschleift wurde…

    Dieses ganze Hadern bringt nichts. Ich bin öfter achtlos, unbewusst und damit „bei den Bösen“, wenn ich meinen Interessen des Augenblicks nachgehe ohne viel links und rechts zu gucken. DAS ist Biologie… und da ich mit mir selbst befreundet bin, mach ich mich deshalb nicht selbst dauernd nieder!

    Doch hab ich als Mensch auch die Möglichkeit, spielerisch Dinge anders zu machen: nicht immer und überall und von früh bis spät, aber immer, wenn ich Lust habe… z.B. Lust dazu, das teurere Bio-Würstchen zu kaufen, nicht nur weil es besser schmeckt, sondern weil ich mir den Luxus leiste, damit für artgerechte Tierhaltung und gute Arbeitsbedingungen zu votieren.

    Es braucht nicht immer gleich 100%ige Lösungen – gelegentlich mal die bessere Variante zu wählen, ist schon viel! FREU DICH über diese Gelegenheiten, aber hau dich nicht selber wegen der anderen in die Pfanne! Es bringt keinem toten Rind irgend was, wenn du beim Essen dieses konventionell (=mit viel überflüssigem Leid) produzierten Würstchens auch noch unglücklich bist.

    Lieben Gruß

    Claudia

  • 3. Ralph | 7.05.07 um 11:23

    Mein Text war kein persönliches Leidensbekenntnis, nur eine überspitzte Darstellung dieses unlösbaren Dilemmas zwischen dem Wunsch, „ethisch“ konsumieren zu wollen und der nackten und uns bis in die persönlichsten Bereiche beeinflussenden Realität des Kapitalismus und seines Warenwahns.

    Ich persönliche freue mich, dass ich Ökolebensmittel kaufen kann und empfinde das als Privileg, gleichwohl denke ich beim Essen selbst nicht daran (ich bin doch kein Hinterfragfanatiker ;-), sondern geniesse es. Und die Bratwurst vom Nachbar stürzt mich in der Tat nicht in eine Identitätskrise. Distanz schafft eher diese Selbstverständlichkeit mit der Fleisch und noch mal Fleisch und dann wieder Fleisch gegessen wird. Da reizt es mich dann manchmal doch, hier und dort die Spielverderberkarte zu ziehen. Warum auch nicht.