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Konsum, Alltag und Globalisierung

Wie waren Deine Wochen nach Tschernobyl?

25. April 2006 um 19:07 von Ralph

Erinnert Ihr Euch an die ersten Wochen nach Tschernobyl? Ich kann mich an eine besondere Aufmerksamkeit für den Wetterbericht erinnern, an ein starkes Misstrauen gegen Politikerbekundungen, an einen regen Informationsaustausch im Bekanntenkreis, an die schnelle Warnung vor Milchprodukten aus Bayern, an Sandkastenverbote. Es war eine seltsame, sachliche Wachsamkeit da, eine Stimmung, jetzt ändert sich etwas, der Gedanke, man ist verraten und verkauft, wenn man sich nicht um Informationen kümmert. Auch das Bewußtwerden der unsichtbaren Tücke der radioaktiven Strahlung und die erschreckenden Zeiten der Halbwertzeit waren ein Thema. Die Problematik von Atomkraftwerken ist mir erst in diesem Wochen wirklich deutlich geworden, und die Bedrohnung, die von ihnen ausgeht. Das wurde dadurch verstärkt, dass meine damaligen Lebensgefährtin Schwanger war, was unter anderem für einen ganz anderen Blick auf Ernährung und Nahrung sorgte. Der morgige Jahrestag hat mir beim Lesen der Artikel der letzten Zeit gezeigt, dass jede Entwarnung trügerisch ist und dass Langzeitfolgen wirken, was zum Beispiel die 7.000 Becquerel pro Kilo Wildschwein zeigen.

Thematik: Energie . .

11 Kommentare

  • 1. Macsico | 25.04.06 um 20:44

    Das eindringlichste Erlebnisse hatten wir damals zu dritt – meine beste Freundin aus Abi-Zeiten, ihre langhaare Schwester und ich.

    Wir gingen kurz nach dem Unglück durch die Wiesen spazieren, es war nach einem Regen, die Luft war noch frisch. Und wie frisch – frisch ionisiert! Bedingt durch die starke Aufladung der Luft standen der Schwester die langen dünnen Haare förmlich zu Berge. Als wir begriffen hatten, was da gerade passierte, sind wir sehr schnell wieder nach Hause gegangen …

  • 2. Lutz | 26.04.06 um 17:00

    1986 — ich erinnere mich an gesperrte Spiel- und Sportplätze. Wir durften bei Regen nicht raus. Und Pilze verschwanden plötzlich vom Speiseplan — aber die mochte ich sowieso nicht. Und die Spargelsaison ist auch ins Wasser gefallen, wenn ich mich recht erinnere.
    Irgendwie hatten wir alle Angst vor der radioaktiven Wolke, die angeblich auf uns zu zog — und irgendwann normalisierte sich alles wieder. Die Angst verging, und wir durften wieder raus, auf die Spiel- und Sportplätze — auch bei Regen. Damals vor 20 Jahren.

  • 3. Lazerte&hellip | 26.04.06 um 18:59

    20 Jahre (von 20000)…

    Tschernobyl fand damals auf einem Schwarzweißfernseher in meiner Studentenbude statt. Wie alles, was sich in diesem winzigen grauen Kasten in diesem winzigen schlecht gelüfteten Zimmer abspielte – Bobbeles erster Wimbledonsieg, die……

  • 4. Gabi | 26.04.06 um 21:24

    Als Tschernobyl passierte, war ich knapp über 20 und hauptsächlich mit mir selbst, meinen Klamotten und meinen Freunden beschäftigt. OK, um Speisepilze habe ich einen Bogen gemacht, aber das Schicksal der Menschen, das Ausmaß der Katastrophe, die Spätfolgen für sie und auch für uns – so weit habe ich damals nicht gedacht.

  • 5. mutant | 26.04.06 um 22:07

    hm, da wra ne demo hier und der dompfarrer (der mich konfirmiert hatte) liess die leute nich in die kirche, als es anfing zu regnen und alle panisch unterstand suchten. das kam nicht gut an. meine freundin und ich machten so punkunsinn, wie demonstrativ milch trinken.
    dann kam auch schon der ganze demozirkel, stade (wo mich sone schreckschraube von den gruenen als faschistin bezeichnete) und brokdorf, wo ich erstmals im autonomen-outfit rumrannte und auch im tv zu sehen war (panorama).
    da dachte man echt, „wir sind die letzte generation“.
    heute die kinder bei der tschernobyl gedenk demo: „atomkraft ist scheisse wie der hsv“ am skandieren. naja.

  • 6. Kirstin Walther | 27.04.06 um 10:27

    Im Osten (DDR) war das damals ganz anders. Wir bzw. unsere Eltern wurden relativ kurz nach der Katastrophe ernsthaft gefragt, ob wir nicht eine Klassenfahrt nach Kiew unternehmen wollen, da die Preise zu dem Zeitpunkt wohl sehr günstig waren.

  • 7. Manuel | 27.04.06 um 13:30

    @ Kirstin: Nein, ehrlich? *Kopfschüttel* Ich hoffe, Ihre Klasse ist nicht gefahren?!?

    Ich kann mich nur noch sehr dunkel erinnern, war ich doch erst acht Jahre alt zu dem Zeitpunkt. Ich weiss noch, an dem Tag wurde ich irgendwann mittags reinholt, sollte erstmal nicht mehr draußen spielen.

    Warum, wurde mir soweit es ging erklärt. „Da ist eine böse Wolke“, oder so ähnlich. Nach und nach erfuhr ich dann das mit der Strahlung. Wir hatten im Bioladen immer diese lustigen gelben Sticker mit: „Atomkraft nein Danke!“. Diese Strahlen brachte ich mit der ganzen Sache in Verbindung. Kurios ;-)

    Ich weiss noch, dass „die Erwachsenen“ die nächsten Tage mit ziemlich düsterem Gesicht rumliefen. Das Draußen-Spielen war dann auch die nächste Zeit sehr eingeschränkt. Meine Mutter erzählte dann, dass sie irgendwelche Vorräte an Getreide und Co aufgetan hatten, die ein paar Monate reichen würden …

    Aber wie gesagt, ich war halt noch sehr jung :-)

    Gruß, Manuel

  • 8. Kirstin Walther | 28.04.06 um 09:22

    Nein, natürlich nicht. Alle Eltern haben da schon richtig reagiert. Wahrscheinlich wegen des heimlichen „Westfernsehen-Kuckens“.

  • 9. grapf.log » 20 Jahr&hellip | 28.04.06 um 12:38

    […] In seinem Konsumblog fragt Ralph Segert übrigens nach Erinnerungen an die Zeit vor 20 Jahren… Zeitfenster  |  […]

  • 10. Kevin | 20.11.06 um 11:44

    Hallo.
    ICh bin zwar erst 17 ahre alt habe das ganze nicht mitbekommen aber habe eine Reportage im TV gesehen und in der Schule ein Referat darüber gemacht das alles hat mich sehr erschüttert was da alles abgegangen ist. Meine mutter hat mir auch viel darüber erzählt was sie durft und was nicht.
    es war wirklich schrecklich ich hoffe so etwas wird nicht noch mal geschehen.
    Wenn man so hört und liest was da passiert ist kann man nur den Kopf schütteln und dem Bürgermeister oder was der auch immer war als bekloppt erklären.
    Er hat die menschen erst6 stunden nach de Katastrophe gewarnt und die ganzen Menschen wurde mit Schul Busen weg gebracht einfach nur doof.
    Die Polizisten liefen da schon in ABC anzügen rum un die Menschen wurden schon schön verstrahlt so was finde ich nicht verantwortungsbewusst.
    Dieses Thema werde ich nie mehr vergessen und werde immer dran bleiben.
    Ich hab aber noch eine frage wie sah das den aus nach der Katastrophe was durfte man essen und was nicht so? könnte mir da vilt einer Helfen?
    gruß
    kevin

  • 11. mutant | 20.11.06 um 22:34

    man durfte alles essen, gewarnt wurde teils vor milch und dann naeturlich (im folgenden herbst und das hielt sich einige jahre) pilze und wild. also, hier in .de, in der udssr hatten die wohl wenig wahl…
    viele leute haben sich jodtabletten geholt und die hoffnung gehabt, damit die schilddruese zu „ueberfuettern“, sodass sie kein radioaktives jod mehr aufnimmt, aber das war glaub ich bloedsinn.
    sieh dir mal dieses pdf an:
    http://www.ssk.de/werke/volltext/1986/ssk8607.pdf