Konsum, Alltag und Globalisierung
1. Juli 2006 um 12:50 von Ralph
Volkswirt und Soziologe Gerd Grözinger bürstet die Argumente für die geplante Absenkung von Gewinnsteuern gegen den Strich. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern bezahlten deutsche Unternehmen trotz höherer nominaler Steuersätze wesentlich weniger an den Staat. Im Artikel Auf die Quote kommt es an weiß der Autor zu belegen, dass Deutschland für die Konzerne bereits ein Niedrigsteuerland sei.
Zwar haben viele Staaten in den letzten zwei Dekaden tatsächlich ihre nominalen Steuersätze gesenkt, aber im Gegenzug dafür die Bemessungsgrundlage verbreitert. Und das führte zu den in der Statistik sichtbaren Mehreinnahmen. Die große Ausnahme ist Deutschland. Hier ist es weiter möglich, über üppige Abschreibungs- und Rückstellungsmöglichkeiten Gewinne ganz legal dem Fiskus zu entziehen. Und dann erst die Chancen mit Auslandstöchtern. Es bedeutet wenig Problem, über Verrechnungspreise oder Lizenzgebühren Gewinne in Niedrigsteuerländern anfallen zu lassen, dort gering zu versteuern und dann hier gewinnsteuerfrei nach Deutschland zu transferieren, um sie den Aktionären auszuzahlen oder damit Konkurrenten aufzukaufen. Andere Länder sind da klüger und kassieren eine Differenz, wenn die ausländische Steuerzahlung geringer als zu Hause ausfällt.
Was würde es in harten Euros bedeuten, wenn Deutschland den Schnitt dieser Länder erreichte? Das wären zwischen 20 und 30 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen, über die wir jetzt nicht verfügen. Und statt uns dem europäischen Standard anzupassen, will die große Koalition den Konzernen weitere acht Milliarden schenken. Das ist eine Katastrophe für Deutschland und Europa. Denn natürlich werden die Konzerne in den Nachbarländern ähnliche neue Vergünstigungen dort fordern.
Thematik: Globalisierung,Wirtschaftspolitik . .
1 Kommentar
1. Gernot H. | 1.07.06 um 17:20
Große Konzerne und Demokratie passen nicht wirklich zusammen, dafür aber große Konzerne und Machtpolitik und anscheinend sind Politiker von dieser Perspektive so berauscht (oder berauschen sich daran, wie noch nicht lange her Joschka Fischer), daß sie sich nur all zu bereitwillig deren Argumenten beugen und deren Interessen berücksichtigen.
Neben der Trennung von Staat und Kirche wird es immer nötiger Staat und Konzerne zu trennen.