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G8-Blog-Blick: Über Provokateure und Feldjäger (Update IV)

7. Juni 2007 um 13:37 von Ralph

Ich möchte hier einen subjektiven Überblick über zwei wichtige Themen bieten, die zur Zeit in Weblogs disktuiert werden und die man als Korrektiv gegenüber eines Teils der etablierten Online-Presse betrachten kann, die bisher versagt hat und mit ihren Falschmeldungen und reisserischen Headlines eine offensichtlicher werdende repressive Polizeitaktik unterstützen. Betont sei aber, dass bei aller Begeisterung für eine bloggende Gegenöffentlichkeit Skepsis notwendig bleibt (was mir nicht immer leicht fällt, vor allem wenn mir die Wut hochkommt), damit Behauptungen und Vermutungen nicht als Tatsachen verbreitet werden. Indirekte Rede, Zitate und Vergleiche der Argumente sind einfache Mittel im ehrenamtlichen Einsatz gegen Desinformationen und Medienmanipulation. Was nun nicht heißt, dass man auf polemische Kommentare und persönliche Eindrücke verzichten müsse.

Thema 1: Sind Polizeiprovokateure im Einsatz?

Fehler im System titelt G8: Zivilpolizisten sollen zu Randale angestachelt haben und zitiert zwei weitere Weblogs: Da wäre das Punktblog, das fragt: Polizei mitschuld an Protest-Gewalt? und sich dazu hinreissen läßt, eine Polizeiprovokation als „ziemlich gesichert anzunehmen“, wärend das Feierabendblog bei skeptischen Fragen bleibt.

Auch trueten.de fragt: G8: Zivilpolizisten Urheber der Randale? und verweist auf ein Video auf indymedia, dass die Enttarnung zeigen soll, wobei der Spiegelfechter betont, dass es weiterhin eine „Vermutung“ bleibe, da der Mann bisher noch nicht identifiziert sei; und leider auch nicht gefilmt, wie ein anderer Kommentator betont. Zumindestens bemerkenswert ist in dem Zusammenhang ein Foto auf Journalismus – Nachrichten von heute, auf dem ein Mann mit autonomer Anmutung und ein Polizist gemeinsam Spass haben.

Desweiteren noch einmal ein Hinweis auf das hier entdeckte Video, das im Hinblick auf die abnehmende Unwahrscheinlichkeit, dass Provokateure der Polizei auch mit für die Gewalt in Rostock verantwortlich sein könnten, einen anderen Stellenwert bekommt und auf das ich vor zwei Tagen unter Update IX hinwies:

Update II: Beim Spiegelfechter werden von den Lesern weitere Links und Hinweise gepostet. Siehe zum Beispiel: jW: Polizei soll zu Provokateur Stellung nehmen

Update III: Am Freitag den 8.6. hat die Polizei von Mecklenburg-Vorpommern den Einsatz eines eingeschleusten Zivilpolizisten bei der Blockade „vor der Kontrollstelle Galopprennbahn“ bestätigt, am Tag zuvor aber noch behauptet, es würden keine Zivilbeamten in den Reihen der Demonstranten eingesetzt. Die Demonstranten werfen dem Zivilpolizisten Aufstachelung zur Gewalt vor, die Polizei widerspricht und rechtfertigt den verdeckten Einsatz als „Bestandteil der Deeskalationsstrategie“.

Update IV: Im Mark Seibert:Logbuch gibt es eine kontroverse Diskussion über das Video hier oben.

Thema 2: Was machen Feldjäger bei der Polizei?

Gestern einen Teil eines Videos über einen Feldjägereinsatz beschrieben. Princo bemerkt dazu unter dem Titel Einsatz der Bundeswehr im Innern etwas, das mir gestern auch so ähnlich durch den Kopf ging:

Die Entscheidung, ob man über diese Dreistigkeit eher lachen oder weinen sollte, fällt wg. heruntergefallener Kinnlade nicht gerade einfach. […] Ob den beteiligten Personen wohl bewusst ist, welch historische Dimension die dort gezeigten Aufnahmen haben?

Etienner Heindahlen bemerkt unter dem Posting Bundeswehr-Panzer: Amtshilfe oder illegaler Einsatz der Bw im Inneren? sachkundig:

Am Rande bemerkt: der Einsatz landgestützter Bundeswehr-Aufklärungskomponenten ist an sich unnötig. Denn sowohl Zoll als auch Bundespolizei verfügen über entprechende FLIR-/IR-Kameras zur Flächenüberwachung. Hinzu kommen die weitreichenden FLIR-Kameras ausgestatteten Helikopter der Polizeihubschrauber-Staffeln der Länderpolizeien. Mit den voll nachtflugtauglichen Helikoptern lassen sich aus Entfernungen von einigen Tausend Metern auch in völliger Dunkelheit hochauflösende Bewegtbilder in real time in die Einsatzstäbe übertragen. Wozu also sind Bundeswehr-Kräfte nötig?

Der Autor von Gsallbahdr meint: „Je länger die Demonstrationen gegen den G8-Gipfel und die Gegenmaßnahmen anhalten, um so weniger weiß man“, ist aber bereits gespannt darauf, „ob es für den Panzereinsatz tatsächlich eine Legitimation gab“. Nachrichten von heute bemerkt unter dem Titel Polizei provoziert und plündert, Bundeswehr im Einsatz sarkastisch:

Sicherlich haben die beiden Polizisten diesen patriotischen Bundeswehrsoldaten angehalten und ihn darauf aufmerksam gemacht, dass der Bundeswehreinsatz im Innern (noch) nicht legal ist.

Mehr bleibt einem dazu auch bis jetzt nicht zu sagen. Offizielle Statements fehlen bisher und werden wohl auch nicht folgen. Inwieweit der Einsatz illegal war, muss genau geprüft werden.

Update: Schneller als erwartet bietet netzpolitik.org Aufklärung und verweist auf den „Artikel“ „Technische Amtshilfe“ – Bundeswehr hilft bei G8-Sicherung. Fazit: Alles ganz selbstverständlich, man muss es nur „Amtshilfe“ nennen.

Thematik: G8 2007 . .

5 Kommentare

  • 1. Thomas Trueten | 7.06.07 um 14:57

    Hallo Ralph,
    die Presseerklärung des republikanischen Anwaltsvereins wegen der Sache ist Dir bekannt? Ich halte die Beweislage für relativ eindeutig. Daß die Identität bzw. Tatsache von „agent provocateurs“ nicht zugegeben wird, liegt ja in der Natur der Sache.

    RAV wird Bild-Zeitung verklagen

    RAV geht gegen Bild-Zeitung wegen Berichterstattung über Rechtsanwältin beim Einsatz von Zivilpolizisten bei der gestrigen Blockade vor

    Gestern Abend, am 5.6.2007, gegen 19.00 Uhr wurde eine Gruppe von fünf Polizeibeamten in Zivil durch DemonstrantInnen bei der Blockade am Osttor des Sicherheitszaunes entdeckt. Die Zivilpolizisten waren im Stil des sogenannten Schwarzen Blocks gekleidet. Als auf dem Hubschrauberlandeplatz hinter der Polizeikette einige Hubschrauber landeten, versuchten die Zivilbeamten, die anwesenden DemonstrantInnen zu Straftaten anzustacheln. Auf Aufforderung der Blockade-OrganisatorInnen entfernten sich vier von fünf Zivilpolizisten und wechselten auf die Seite der uniformierten Beamten. Der fünfte Zivilpolizist, der sich die seine Kollegen geweigert hatte, seine Identität offen zu legen, wurde dann von AnwältInnen des Legal Teams und OrganisatorInnen der Blockade auf eigene Bitten hin, zu seinen uniformierten KollegInnen begleitet.

    Unter der Fotoüberschrift „Aufgebrachte Schläger versuchen, einem Zivilpolizisten die Kapuze vom Kopf zu reißen“ zeigt die Bild-Zeitung vom heutigen Tag ein Foto, das eine Anwältin des Legal Teams zeigt. Die betreffende Anwältin ist zu sehen, wie sie mit dem Zivilbeamten darüber spricht, wie er sich zu seinem eigenen Schutz auf die andere Seite der Polizeikette begeben kann. Die Bildüberschrift ist falsch. Sie suggeriert in böswilliger Absicht, dass die auf dem Bild erkennbaren Personen, die tatsächlich den als Agent Provocateur agierenden Polizeibeamten geschützt haben, Gewalttäter seien.

    „Der RAV hat den bekannten Presserechtsanwalt Johannes Eisenberg eingeschaltet, der die Bild-Zeitung auf Gegendarstellung und Unterlassung verklagen wird“, sagt Wolfgang Kaleck, Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins. „Mit ihrer wahrheitswidrigen Berichterstattung trägt die Bild-Zeitung zur Eskalation der Situation bei.“ Zudem müsse die Polizeieinsatzleitung die Frage nach dem unverantwortlichen Einsatz von offensichtlichen Agent Provocateurs nicht nur bei der gestrigen Blockade beantworten. Nach dem kritikwürdigen Vorgehen der zivilen Polizeibeamten am gestrigen Tage sei es nicht auszuschließen, dass Polizeibeamte auch an weiteren Orten und Tagen in derartiger Art und Weise vorgegangen sind.

    ***

    Für weitere Informationen erreichen Sie den Presseservice des Legal Teams/Anwaltlicher Notdienst unter den Telefonnummern: 01577-4704760,0163-6195151,0179-4608473.

  • 2. Ralph | 7.06.07 um 15:04

    War mir nicht bekannt, danke.
    Vielleicht sollten wir für die kommenden Klagen gegen Polizei und Medien schon mit Spendensammeln anfangen. Aus meiner Warte hat z.B. der Widerstand im Wendland deutlich gemacht, dass sich Klagen lohnen, um Polizeihandeln zu zivilisieren.

  • 3. mutant | 7.06.07 um 23:38

    das es in genua agents provocateurs gegeben hat ist bekannt, das die deutsche polizei auch zu diesen mitteln greift, wundert mich ehrlich gesagt nicht.

  • 4. Ralph | 8.06.07 um 00:40

    Frau mutant, schoen und gut, aber es geht hier konkret darum, die Gewalt der Polizei zu belegen, sonst hat das keine Überzeugungskraft. Natürlich kann ich mich zurücklehnen in meiner Gewissheit, aber ob ich damit auch eine Blogöffentlichkeit ueberzeuge, hängt wesentlich von den konkreten Argumenten und Belegen ab.

  • 5. zaphodia | 11.06.07 um 16:24

    http://www.ad-hoc-news.de/Politik-News/de/12008705...

    „Technische Amtshilfe» – Bundeswehr hilft bei G8-Sicherung
    […]
    Angefordert wurde die Bundeswehr vom Land Mecklenburg Vorpommern und vom Bundespresseamt. Artikel 35 des Grundgesetzes erlaubt den Einsatz der Bundeswehr im Landesinneren auf dem Wege der Amtshilfe, wie der Sprecher sagte. Laut Grundgesetz kann die Bundeswehr ‚zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung‘ in Fällen von besonderer Bedeutung angefordert werden, ‚wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte‘. Nach Angaben des Sprechers handelt es sich in Heiligendamm um eine rein ‚technische Amtshilfe‘ zur Unterstützung der Polizei, die für die Sicherheit verantwortlich ist. Der Einsatz der Bundeswehr bei Großveranstaltungen in Deutschland ist nichts Neues: während der Fußball-Weltmeisterschaft und des Besuchs von US-Präsident George W. Bush 2006 in Stralsund waren ebenfalls Soldaten im Einsatz. ddp/grk/kos“

    Die Einsatzbegründung wird sicherlich noch rechtlich diskutiert werden.

    Die Begründung des Sprechers ist aber hanebüchen, gezielte Desinformation und lässt an der Kenntnis des Grundgesetzes zweifeln (leider geht aus der ddp-Meldung nicht hervor, wer und von wem der Sprecher war)

    Zum Vergleich:
    Nochmal die entscheidende Passage:
    „Laut Grundgesetz kann die Bundeswehr ‚zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung‘ in Fällen von besonderer Bedeutung angefordert werden, ‚wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte‘.“

    Und nun das Grundgesetz Art. 35 Abs. 2 (1)
    „Zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kann ein Land in Fällen von besonderer Bedeutung Kräfte und Einrichtungen des Bundesgrenzschutzes zur Unterstützung seiner Polizei anfordern, wenn die Polizei ohne diese Unterstützung eine Aufgabe nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte.“

    Ist die Bundeswehr bereits mit dem Bundesgrenzschutz verschmolzen?

    Und müsste das Grundgesetz nicht schon deshalb geändert werden, damit dort auch Bundespolizei und nicht mehr Bundesgrenzschutz steht?