Konsum, Alltag und Globalisierung
14. Juni 2007 um 13:11 von Ralph
Der Begriff Hedgefond ist mittlerweile in die Alltagssprache eingedrungen wie Heuschrecken in relativ zivilisierte Ökonomien. Selbst Politiker haben sie als Sündenböcke der Globalisierung entdeckt, nicht etwa, um sie in die dringend notwendige Schranken zu weisen, sondern um so zu tun, als würden sie es tun wollen. Ihr Vorteil dieser symbolischen Politik mit viel heißer Luft: Es geht dabei das wirkliche Treiben der Hedgefonds und ihrer Rolle bei der „radikalen Globalisierung“ unter, und beim Medienkonsumenten bleibt das vage Gefühl, da laufe etwas schlechtes. Umso wichtiger sind wertvolle Texte wie der von Klaas Anders, der in der Freitag 23 anchaulich beschreibt, wie Hegdefonds die Finanzmärkte beherrschen und welche Folgen das für „gesunde Unternehmen“ hat, die im „Markt der Unternehmen“ zum Ziel des möglichst kurzfristigen und möglichst höchsten Profits „abgewickelt“ werden. Ich zitiere eine längere Passage aus Heuschrecken auf Treibjagd, da darin anhand eines konkreten Falles aufgezeigt wird, wie der Hedgefond The Children’s Investement Funds (TCI) (der Zynismus in der Banche muss grenzenlos sein) „über Nacht“ einen „Gewinn von 400 Prozent“ machte. Zuvor ein paar Fakten:
Seit 1995 ist die Zahl der Hedgefonds weltweit von 2.800 auf 9.500 gestiegen. Mitte der neunziger Jahre verwalteten sie ein Anlagevermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar – heute über 1,4 Billionen. Die Mehrzahl der Hedgefonds hat ihren Firmensitz in Steueroasen wie den Bermudas, Bahamas, den Virgin- oder den Britischen Kanalinseln, wo sich auch die Masse ihres Anlagevermögens befindet. Da sie also kaum Steuern zahlen, erzielen sie traumhafte Gewinne für die Anleger – in den vergangenen fünf Jahren zwischen 11 und 21 Prozent. Kein Wunder, dass ihnen das Geld geradezu nachgeworfen wird. 2006 wurden weltweit fast 130 Milliarden Dollar in die Hedgefonds gepumpt – 2007 dürfte es erheblich mehr werden.
Auf den internationalen Aktienmärkten können die Fonds inzwischen den großen Hebel ansetzen – und der heißt Kredit, der ihnen von den Banken nur zu bereitwillig (und zwar auf einem historisch niedrigen Zinsniveau) eingeräumt wird. Die Fonds können so ein Vielfaches des Kapitals bewegen, das sie selbst besitzen. Bei Übernahmegeschäften wird dann schon einmal locker das 20- bis 25-fache des Eigenkapitals eingesetzt. Anschließend werden die Schulden nicht etwa selbst getragen, sondern dem aufgekauften Unternehmen überschrieben.
Anfang Juni stiegen die Aktienkurse an den europäischen Finanzmärkten auf den höchsten Stand seit sechs Jahren, allein dank einer Woge von Übernahmegerüchten. Übernahmeschlachten, deren Schwerpunkt inzwischen in Europa liegt, toben im Moment vor allem im Banken- und Energiesektor. Der derzeitige Fight um die Übernahme der ABN Amro, der zweitgrößten niederländischen Bank, durch Barclays, der zweitgrößten britischen Bank, ist geradezu ein Lehrstück für die Rolle, die Hedgefonds als Antreiber des Übernahmebooms spielen. Die Aktionäre der niederländischen Bank können sich freuen, denn seit die Schlacht tobt, steigen die Kurse ihrer Wertpapiere – um 30 Prozent in knapp zwei Monaten. Denn ein britischer Hedgefonds mit dem schönen Namen The Children´s Investment Funds (TCI), der nur zwei Prozent der ABN Amro Aktien besitzt, tat alles, um einem konkurrierenden Übernahmeangebot zum Erfolg zu verhelfen: Ein britisch-spanisch-belgisches Bankenkonsortium hat etliche Milliarden mehr geboten als die Barclays Bank. Ganz im Sinne der bevorzugten Strategie der Hedgefonds will dieses Konsortium aber keine Fusion, keine Fortführung des Unternehmens als britisch-niederländische Großbank – es will aufspalten, in Einzelteile zerlegen und die Einzelteile weiter verkaufen. Kurzfristig springt dabei ein deutlich höherer Gewinn heraus, so dass sich das Konsortium auch einen höheren Kaufpreis – kreditfinanziert natürlich – leisten kann. Der Hedgefonds TCI hat alles getan, um dieses konkurrierende Übernahmeangebot hervor zu locken und die Aktionäre der ABN Amro darauf einzustimmen. Obwohl die Schlacht noch nicht entschieden ist, hat TCI seinen Schnitt schon gemacht: Man kaufte für 1,1 Milliarden Euro Aktien der ABN Amro, zu mindestens zwei Dritteln mit Krediten finanziert, und musste vom eigenen Anlagevermögen höchstens 360 Millionen Euro investieren. Dank der kurzfristigen Kurssteigerungen sind daraus über Nacht 1,45 Milliarden Euro geworden, ein Gewinn von fast 400 Prozent. Der TCI und seine Anleger sind begeistert – derartige Aktionen sind ihr Lebenszweck.
Bildnachweis: Teilabbildung aus einer Fotomontage im Freitag
Thematik: Globalisierung . .
3 Kommentare
1. SebLug | 17.06.07 um 09:39
Sicher treiben die Hedgefonds und private equity Firmen es zu weit.
Es wird ihnen aber auch denkbar einfach gemacht.
Durch die Banken und durch die Investoren, die nicht fragen, was mit dem angelegten Geld passiert.
Ein großer Teil des Geldes in den Fonds stammt aus Pensionsfonds von ganz normalen Arbeitnehmern in den USA.
Hier wäre der Hebel für eine wirkungsvolle Kontrolle.
Aber wer sitzt denn von uns bei der Bank und guckt nicht auf die Entwicklung der Kurse der Anlagemöglichkeiten.
Jeder ist sich selbst der nächste.
2. Ralph | 17.06.07 um 16:20
Gestern erwähnte Volker Pispers, dass wohl die rotgrüne Regierung es Hedgefonds auch hierzulande leichter gemacht habe. Würde mich einmal interessieren, was das konkret war.
3. Konsumblog.de » Ext&hellip | 24.04.08 um 12:02
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